Die Rede von König Philippe zum Nationalfeiertag ist diesmal geprägt von Jahrestagen. Er erinnert zunächst noch einmal selbst daran, dass er vor genau zehn Jahren den Eid als siebter König der Belgier ablegte. Das Jahrzehnt sei reich an Ereignissen gewesen, sowohl an erfreulichen Begebenheiten, aber auch an Krisen.
Rückblickend sei er aber auch immer wieder beeindruckt gewesen von dem großen Sinn für Solidarität, der in unserem Land lebt. Hinzu kommen Spontaneität und Pragmatismus, und nicht zu vergessen Humor. "Diese ausgesprochene Menschlichkeit der Belgier ist eine spürbare Konstante im Norden wie im Süden unseres Landes." Das sei ein gemeinsamer Kern und habe unsere Identität mit geprägt.
"Ich bin davon überzeugt, dass wir mehr Kreativität und Innovation entwickeln können als irgendwo sonst, wenn wir unsere Diversität noch stärker leben, mehr Brücken zwischen unseren Institutionen bauen, und wenn wir von unseren gegenseitigen Stärken lernen." Und das sei umso nötiger angesichts der zahlreichen Herausforderungen unserer Zeit.
König Philippe beschwört also einmal mehr die "Kraft der Vielfalt", was letztlich auf das Landesmotto hinausläuft: "Einheit macht stark".
Der König erinnert auch noch einmal an den Tod seines Onkels und Vorgängers, König Baudouin, vor genau 30 Jahren. "Er war und ist ein Vorbild für viele", sagt Philippe.
Ein weiterer Jahrestag werfe derweil schon seine Schatten voraus: Das 200-jährige Jubiläum des Landes im Jahr 2030. Vor diesem Hintergrund richtet das Staatsoberhaupt einen Appell an die Jugend: "Ihr, die Generation 2030, mit eurer Sensibilität, eurem kritischen Geist und euren Talenten, lasst uns gemeinsam schon jetzt die Zukunft vorbereiten."
Ansprache des Königs zum Nachlesen
Meine Damen und Herren,
auf den Tag genau vor zehn Jahren legte ich meinen Eid als siebter König der Belgier ab und trat damit die Nachfolge meines Vaters an, König Albert II., dem ich heute meine Ehrerbietung erweisen möchte. Sie haben der Königin und mir damals einen herzlichen Empfang bereitet.
Dieser 21. Juli 2013 wird für immer in unseren Erinnerungen verankert sein. Er bleibt auch heute noch eine unerschöpfliche Quelle der Motivation und Inspiration für uns beide. Die Königin war stets und unter allen Umständen an meiner Seite. Ihre Aufmerksamkeit für jeden Menschen, dem sie begegnet, und Ihr unermüdliches Engagement erstaunen mich jeden Tag aufs Neue.
Das vergangene Jahrzehnt war reich an Ereignissen, sowohl an erfreulichen als auch an traurigen. Die Geschichte wird sich an die Abfolge von Krisen erinnern, die manchmal von erheblichem Ausmaß waren: die Anschläge vom 22. März, die Pandemie, die Dürren und Überschwemmungen, der Krieg in der Ukraine oder auch die Energiekrise. Diese Krisen haben wir gemeinsam mit all unseren Kräften und mit greifbaren Ergebnissen gemeistert.
In all diesen Jahren war ich beeindruckt von einem großen Sinn für Solidarität, der in unserem Land lebt - und von einer Reihe damit verbundener menschlicher Qualitäten: die Großzügigkeit, die Fürsorge für Menschen in Schwierigkeiten, die Offenheit für andere Standpunkte und die Kompromissbereitschaft. Hinzu kommen Spontanität und Pragmatismus und nicht zu vergessen unser Humor.
Diese ausgesprochene Menschlichkeit der Belgier ist eine spürbare Konstante im Norden wie im Süden unseres Landes. Wir erlebten dies bei unseren zahlreichen Begegnungen und Besuchen.
Es versteht sich von selbst, dass jeder diese Eigenschaft in seiner Sprache, seiner Kultur und seinen Überzeugungen zum Ausdruck bringt. Aber der Kern ist derselbe. Das ist es, was unsere Identität mit geprägt hat, das Fundament, auf dem unser reiches gesellschaftliches Leben mit so vielen kreativen Vereinen und einem dynamischen Ehrenamt aufgebaut wurde.
Unsere Kultur der Solidarität und des Miteinanders hat es uns ermöglicht, ein System der sozialen Sicherheit zu entwickeln, auf das wir stolz sein können. Wir haben es geschafft, dass Gemeinschaften mit unterschiedlichem kulturellen Hintergrund in unserem Föderalstaat zusammenleben.
Ich bin davon überzeugt, dass wir mehr Kreativität und Innovation entwickeln können als irgendwo sonst, wenn wir unsere Diversität noch stärker leben, mehr Brücken zwischen unseren Institutionen bauen, und wenn wir von unseren gegenseitigen Stärken lernen.
Dies wird es uns erlauben, Herausforderungen wie den Klimawandel, den Erhalt der Biodiversität, die Energiewende, den angemessenen Einsatz künstlicher Intelligenz, die soziale Gerechtigkeit, die gerechte Aufnahme von Migranten, die Alterung der Bevölkerung und den Verlust des Vertrauens in unsere Institutionen und in die Demokratie anzugehen. Eine lange Liste, die den systemischen Wandel widerspiegelt, dem wir derzeit gegenüberstehen.
Um dies zu erreichen, müssen wir unser Gesellschaftsmodell und die menschlichen Qualitäten, die es auszeichnen, in Ehren halten. Vielmehr müssen wir dieses Modell und seine Qualitäten in unserem Engagement in Europa und der Welt entfalten. Sie dürfen keineswegs als selbstverständlich angesehen werden. Sie müssen ständig gepflegt und gestärkt werden, damit wir unsere Zukunft mit Zuversicht angehen können.
In diesem Sommer gedenken wir eines weiteren Jahrestags: dem 30. Todestag von König Baudouin. Diejenigen, die ihn gekannt haben, werden sich an sein Lächeln, seinen Blick und seinen vertrauensvollen Händedruck erinnern. Ich weiß, wie viel Gutes er bewirkt hat, durch seinen Glauben an die Mitmenschen, durch seine tiefe Sorge um jeden Einzelnen und um das Land. Er war und ist ein Vorbild für viele, sowohl bei uns als auch über unsere Grenzen hinaus.
In sieben Jahren wird Belgien sein zweihundertjähriges Jubiläum feiern, ein wichtiger Meilenstein in unserer Geschichte. Eine neue Generation kommt auf: Ihr, die Generation 2030, mit eurer Sensibilität, eurem kritischen Geist und euren Talenten, lasst uns gemeinsam schon jetzt die Zukunft vorbereiten. Mit allem, was die Stärke Belgiens ausmacht!
Roger Pint