In der allwöchentlichen Fragestunde in der Kammer verwiesen der CD&V-Abgeordnete Jef Van den Bergh, die OpenVLD-Kollegin Marianne Verhaert und auch der grüne Mobilitätsminister Georges Gilkinet zunächst darauf, dass ihre Mutter bzw. ihr Vater genau zu der Zielgruppe gehören, um die es gerade geht: Sie sind über 70. Im Raum steht nämlich ein Vorschlag der EU-Kommission, der besagt, dass sich Seniorinnen und Senioren ab 70 alle fünf Jahre einem Fahrtauglichkeitstest unterziehen müssen. Und gegebenenfalls, je nach Ergebnis der Untersuchung, können den Betreffenden dann auch Auffrischungskurse auferlegt werden.
Eine klare Altersdiskriminierung, wetterte Jef Van den Bergh von der CD&V. Klar können Seniorinnen und Senioren mit gesundheitlichen Problemen konfrontiert sein, die letztlich auch ihre Fahrtauglichkeit beeinflussen können. Das allerdings kann aber auch für jüngere Menschen gelten. Und das müsse letztlich auch der einzige Maßstab sein und bleiben, nämlich rein medizinische Argumente.
Marianne Verhaert von der Open VLD sieht das ganz genauso. Viele Menschen über 70 stünden noch mit beiden Füßen im Leben, lieferten mitunter einen wertvollen Beitrag für die Gesellschaft. Und zum "Dank" würden sie von der EU-Kommission dann verpflichtet, sich regelmäßig einem Fahrtauglichkeitstest zu unterziehen. Man würde also einer ganzen Bevölkerungsgruppe quasi pauschal misstrauen. Nicht mit uns!", macht Verhaert klar.
Und wenn sie den Gedanken weiterspinne, sagte die Open-VLD-Parlamentarierin: Es sei erwiesen, dass Männer mehr schwere Unfälle verursachten als Frauen. Dafür verbiete man ihnen auch nicht, sich ans Steuer zu setzen. Die Reaktion einiger "Herren der Schöpfung" auf diesen provokativen Vergleich sprach Bände.
Naja, wie dem auch sei… Frage also von beiden Abgeordneten an den zuständigen Mobilitätsminister Georges Gilkinet: Wie steht er dazu? Welchen Standpunkt wird er im Rat der Fachminister vertreten? Nun, seine Mutter werde ihm jetzt auch aufmerksam zuhören, sagte Gilikinet. Denn in der Tat: Auch sie sei mit ihren 81 Jahren noch auf ihr Auto angewiesen. Also, erstmal vorweg: Bislang sei das nicht mehr als ein Vorschlag. Ein Vorschlag, über den wohl noch viel debattiert werden müsse.
Kleine Klammer dazu: Der Grundgedanke der Kommission ist eigentlich nur, die geltenden Bestimmungen in der EU in Sachen Straßenverkehrssicherheit zu vereinheitlichen. Und wer vereinheitlichen will, der muss natürlich erstmal schauen, welche Regeln in den einzelnen Mitgliedstaaten gelten. Und die Frage, ob eben ältere Menschen EU-weit regelmäßige Fahrtests absolvieren sollen, stellt sich im Grunde nur deshalb, weil dies in EU-Ländern wie Italien oder Spanien bereits der Fall ist.
Was freilich nicht heißt, dass die anderen eine solche Maßnahme deswegen gleich übernehmen müssen. Und er sei definitiv nicht überzeugt, sagte Gilkinet. Klar sei es so, dass ältere Menschen vielleicht aus dem einen oder anderen Grund eingeschränkt sind. Studien zeigten aber, dass sie die Risiken kompensierten. Indem sie etwa langsamen bzw. vorsichtiger fahren, zudem nicht nachts, und auch nur dort, wo sie sich auskennen. Kurz und knapp: Wenn jeder so fahren würde, wie unsere Senioren, dann wären unsere Straßen sicherer.
Er wolle jedenfalls nicht Menschen allein auf Grund ihres Alters diskriminieren und sie auch nicht in ihrer Freiheit einschränken, was zu sozialer Isolation führen kann. Solche Entscheidungen treffe man im engen Dialog mit dem Hausarzt. Deswegen von ihm: ein klares Nein.
Für die Parlamentarier dürfte es jedenfalls am Ende keinen Zweifel mehr gegeben haben: Mobilitätsminister Georges Gilkinet sagt klar und deutlich "Nein" zu Fahrtauglichkeitstests für Menschen ab 70. Und weil er da längst nicht allein ist, gehen Beobachter davon aus, dass diese Idee schnell vom Tisch sein wird.
Roger Pint