Dr. Thomas Hieber ist nicht ganz unbekannt in der DG. Der deutsche Rechtsanwalt aus dem Raum Stuttgart war vor gut fünf Jahren schon einmal Gast bei der Diskussionsrunde "Europa Talk" in Eupen. Damals war er als Experte für Europarecht geladen.
Als Europarecht-Experte ist Hieber auch tätig für den Dachverband für nationale Minderheiten in Europa (Fuen). Die DG ist Mitglied bei diesem Verband. Fuen unterstützt vehement die Forderung der DG, das Geoblocking in der EU in allen Bereichen abzuschaffen. Denn Geoblocking sei nicht im Sinne von sprachlichen Minderheiten wie eben den deutschsprachigen Belgiern.
Widerrechtlicher Zustand
Schlagkräftige Argumente für die Abschaffung des Geoblockings in der EU gibt es. Jurist Hieber zählt auf: "Wir haben keinen Binnenmarkt, wir haben einen extrem fragmentierten Markt. Wir haben Diskriminierung von Unions-Bürgern, deren Zugang zu den entsprechenden Inhalten eingeschränkt oder verwehrt wird oder die auch gar nicht von ihrer Dienstleistungsfreiheit, sprich von ihren Grundfreiheiten Gebrauch machen können. Das heißt: Im Augenblick wird ein Zustand perpetuiert, der eigentlich widerrechtlich ist."
Dieser Zustand des Geoblockings betrifft vor allem Inhalte von TV-Sendungen. Denn in allen anderen digitalen Bereichen - wie zum Beispiel der Nutzung von deutschen oder anderen EU-Internet-Seiten von Belgien aus - sei die Abschaffung des Geoblockings bereits 2018 gefallen, dank einer Regelung auf EU-Ebene.
Ausdrücklich ausgenommen waren aber damals die audio-visuellen Dienste. Und damit eben auch alles, was das Fernsehen betrifft. Die EU-Kommission hatte das allerdings so nicht vorgeschlagen. Sie hatte auch die TV-Dienste vom Geoblocking befreien wollen. Denn sie sieht es genau so wie Anwalt Hieber: Der europäische Binnenmarkt darf keine nationalen Grenzen kennen.
Kampf gegen multi-milliardenschwere Industrie
Deshalb organisierte die EU-Kommission einen runden Tisch, an dem Vertreter der TV-Anbieter und der Befürworter einer Abschaffung des Geoblockings zusammensaßen. Die Diskussionen wurden Ende vergangenen Jahres abgeschlossen. Ohne den Beschluss, das Geoblocking abzuschaffen.
"Hier geht es darum, eine multi-milliardenschwere Industrie dazu zu bewegen, Änderungen an ihrem überkommenen Geschäftsmodell vorzunehmen. Das sind langwierige Prozesse, die sich nicht von einem auf den anderen Tag realisieren lassen", erklärt Jurist Hieber, der für Fuen an den Diskussionen teilnahm.
Die TV-Anstalten und Anbieter von TV-Inhalten hatten sich am Ende des europäischen Runden Tisches dazu verpflichtet, eine digitale, europäische Plattform zu gründen, über die digitale TV-Inhalte überall in Europa abrufbar sein sollen. An den Erfolg dieser Bemühungen glaubt Jurist Hieber nicht. "Ich gehe nicht davon aus, dass am Ende des Tages eine Einigung stattfinden wird, die jegliche weitere Schritte zur Errichtung eines digitalen Binnenmarktes obsolet macht."
Sollte diese Einschätzung richtig sein, würde das Tür und Tor öffnen für weitere Bemühungen der EU-Kommission, über neue EU-Gesetze das Geoblocking auch im Fernsehen abzuschaffen.
"Das Damokles-Schwert, das gewissermaßen über den Beteiligten schwebt, ist, dass wenn man nicht zu einer Einigung kommen sollte, dann behält es sich die Kommission vor, einen neuen Gesetzesvorschlag zu erlassen, der dann gewissermaßen aufbauend auf der Geoblocking-Verordnung etwa dann weitergehende Schritte vorsieht, um den grenzüberschreitenden Zugang zu audiovisuellen Inhalten zu verbessern."
Weiter Druck machen
Grundsätzlich ist Jurist Hieber davon überzeugt, dass das Geoblocking ohnehin fallen wird. "Solche Veränderungen werden früher oder später stattfinden. Auch vor dem Hintergrund, dass der technologische Wandel im Digitalbereich immer stärker wird und allein aufgrund dessen die bisherigen Geschäftsmodelle der Filmwirtschaft in Frage gestellt werden können."
Damit das Geoblocking aber eher früher als später fällt, sei es richtig, weiter Druck zu machen auf diejenigen, die dafür verantwortlich sind. Deshalb seien die Bemühungen der DG-Politiker Pascal Arimont als Europaabgeordneter und Oliver Paasch als Ministerpräsident für dieses Ziel auf europapolitischer Eben äußerst sinnvoll.
"Das ist ganz wichtig. Das ist ein dickes Brett, an dem man gerade bohrt. Aber da muss man - wie sagt man so schön auf Französisch: 'Il faut persévérer'. Das habe ich gelernt: Eine Grundtugend in der Politik ist Beharrlichkeit."
Wann genau diese Beharrlichkeit ihre Früchte tragen wird, dazu will Jurist Hieber keine Einschätzung wagen. "Das ist eine multi-milliardenschwere Industrie, die auch in ihr Lobbying wahnsinnig viel Geld in diesem Zusammenhang reinsteckt. Das ist so ein bisschen David-gegen-Goliath-Effekt. Insbesondere als zivilgesellschaftliche Organisation. Gut, David gewinnt am Ende gegen Goliath, aber die Kräfteverhältnisse sind in dem Fall sehr, sehr unausgewogen."
Kay Wagner