Milch, Brot, Eier, Obst und Gemüse stehen ganz oben auf der Liste - aber auch Tampons und Windeln. Dass hier die Mehrwertsteuer gestrichen werden könnte, ist ein Kompromissangebot für einen anderen Teil der Pläne.
Vincent Van Peteghem will nämlich den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sechs Prozent für Grunderzeugnisse und den Zwischensatz von zwölf Prozent für "wirtschaftlich oder sozial wichtige" Dinge wie etwa Restaurantbesuche zusammenlegen auf neun Prozent. Weil dadurch die Gesamtbelastung aber größer würde, will er mit den null Prozent an anderer Stelle gegensteuern.
Kritik von Wirtschaftswissenschaftlern
Wirtschaftswissenschaftler sagen, dass solche Mehrwertsteuersenkungen oft nicht an die Kunden weitergegeben würden. Von jedem Euro, der gesenkt wird, kommen Studien zufolge nur sechs Cent beim Kunden an. Den Rest streichen Hersteller und Handel ein. Solche Mehrwertsteuersenkungen werden also oft für versteckte Preiserhöhungen genutzt.
Gert Peersman, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Uni Gent, macht das am Dienstag in mehreren Zeitungen am Beispiel "iPhone" deutlich. Das koste in allen EU-Ländern das gleiche, obwohl es ganz unterschiedliche Mehrwertsteuersätze gebe. Unternehmen legten den Höchstpreis fest, den sie am Markt durchsetzen können - unabhängig von der Mehrwertsteuer.
Strittig, ob Einkommensschwache profitieren
Laut Peersman konsumieren Menschen mit hohen Einkommen auch mehr Grunderzeugnisse, profitierten also auch entsprechend stärker. Außerdem müsse der Staat aufpassen: Wenn er weniger Geld über die Mehrwertsteuer einnimmt, hat er auch weniger Mittel, die er über Sozialleistungen umverteilen kann.
Und es gibt noch ein Argument der Kritiker: Mehr Ausnahmen in der Steuergesetzgebung bedeuten auch mehr Betrugsmöglichkeiten. Nehmen wir den Mehrwertsteuersatz für einen neuen Schrank. Normalerweise zahlt man dafür den Normalsatz von 21 Prozent. Wird der Schrank jedoch nach Maß für eine ältere Wohnung angefertigt, ist er plötzlich ein Einbauschrank und unterliegt damit dem Renovierungssatz von sechs Prozent.
Vorbild Spanien
Spanien hat die Mehrwertsteuer zwar nicht gestrichen, aber doch gesenkt. Bei Käse, Obst und Nudeln kam die Ersparnis auch bei den Verbrauchern an. Bei Brot und Milch war das nur sehr bedingt der Fall. Je mehr Wettbewerb herrscht, desto wahrscheinlicher ist es, dass Ermäßigungen weitergegeben werden. Anbieter versuchen, die Preise so niedrig wie möglich zu halten, um ihren Marktanteil zu sichern.
Deutsche Forscher fanden außerdem heraus, dass es ebenso wichtig ist, dass die Verbraucher über die Mehrwertsteuer-Ermäßigung informiert sind. Ist das nicht der Fall, ist es wahrscheinlicher, dass Einzelhändler oder Hersteller die Preise unverändert lassen und die Gewinne selbst einstreichen.
Olivier Krickel