"Aha! Endlich!", wird sich der eine oder die andere wohl gesagt haben, als die Belfius-Bank ankündigte, ihre Zinsen anzuheben. Denn gerade in den letzten Wochen war die Kritik an der Finanzbranche immer lauter geworden. Es sah nämlich tatsächlich sehr danach aus, als werde der Sektor fast buchstäblich "schlafend reich", und das auf dem Rücken der Kundschaft.
Es ist ja so: Infolge der diversen Leitzinserhöhungen bekommen die Banken inzwischen eine Rendite von 3,25 Prozent, wenn sie ihr Geld bei der Nationalbank bzw. der EZB parken. 3,25 Prozent, während sich der Sparer seinerseits mit "Kleckerzinsen" abspeisen lassen muss. Der gesetzlich festgelegte Mindestzinssatz beläuft sich immer noch auf 0,11 Prozent. Bei den allermeisten Banken steht immer noch eine Null vor dem Komma, es sei denn, es kommt eine Treueprämie obendrauf.
Und was noch schlimmer ist: Während die Sparzinsen brav im Keller bleiben, folgen die Kreditzinsen demgegenüber dann doch durchaus der Entwicklung der Leitzinsen: Darlehen wurden empfindlich teurer. Aus Sicht des Kunden sieht es also tatsächlich so aus, dass er zweimal der Dumme ist: Man kriegt nach wie vor nichts für sein Geld, darf aber kräftig draufzahlen, wenn man sich welches leihen muss.
Irgendwann wurde der Druck so groß, dass die Problematik auf dem Tisch der Regierung landete. Die linken Koalitionspartner, also Sozialisten und Grüne, forderten Zwangsmaßnahmen, um den Banken eine Zinserhöhung quasi aufs Auge zu drücken. Man spürte aber, dass sowohl Finanzminister Vincent Van Peteghem, als auch die für Verbraucherschutz zuständige Staatssekretärin Alexia Bertrand eine solche Maßnahme lieber vermeiden wollten. Rückendeckung bekamen sie von der Nationalbank, die ebenfalls jedwede Verpflichtung ablehnte.
In diesen Kontext bettet sich also die Ankündigung der Belfius-Bank ein, nun doch die Zinsen zu erhöhen. Für klassische Sparkonten bekommt man demnach ab dem 1. Juli 0,9 Prozent, zusammengesetzt aus 0,45 Prozent Basiszinssatz und dann nochmal 0,45 Treueprämie.
Postwendend klopfte man sich bei der Regierung selbst auf die Schulter. "Wir haben den Druck aufrechterhalten", sagte die OpenVLD-Staatssekretärin Alexia Bertrand in der VRT. Und die Entscheidung zeige auch, dass der Wettbewerb funktioniere und dass die Regierung jetzt nicht zusätzlich eingreifen müsse.
Erstmal sieht also die Staatssekretärin jetzt keinen Handlungsbedarf mehr. "Die Konkurrenz wird nachziehen müssen", wird Bertrand zitiert. Aber was noch viel wichtiger ist: Die Staatssekretärin vermittelt hier den Eindruck, dass Belfius quasi auf den Druck der Politik reagiert.
Dazu gab es gleich ein ausdrückliches Dementi von Belfius. "Wir haben die Entscheidung völlig eigenständig getroffen", betonte in der VRT Olivier Onclin, Belfius-Vorstandsmitglied und Chef des Privatkundengeschäfts. Der Beschluss sei bereits vor drei Wochen gefallen, politischer Druck habe da überhaupt keine Rolle gespielt. "Wir können es uns nicht erlauben, dass da auch nur der Eindruck entsteht, dass wir unsere Entscheidung treffen aufgrund einer Einmischung durch die Politik."
Belfius gehört dem Staat
Gerade die Belfius-Bank muss diese Unabhängigkeit besonders unterstreichen. Belfius gehört zu 100 Prozent dem belgischen Staat und da liegt zumindest der Gedanke nahe, dass die Chefetage von der Regierung "freundlichst" gebeten wurde, doch bitte ein bisschen an der Zinsschraube zu drehen und so den Anfang zu machen. Ein solcher Eindruck wäre desaströs, denn es hat nicht umsonst immer geheißen, dass Belfius nicht zum Sandkasten der Politik werden dürfe.
Was aber ein bisschen dagegenspricht, und was auch den Optimismus der Staatssekretärin ein wenig verfrüht erscheinen lässt: Der Zinsschritt ist gar nicht so spektakulär, wie es sich anhören könnte. Laut einer Erhebung der Zeitung L'Echo bewegt sich Belfius auch nach der Entscheidung immer noch im Mittelfeld. Wenn man sich nur die sogenannten Großbanken anschaut, dann bekommt der Sparer bei ING oder BNP Paribas Fortis immer noch mehr.
Belfius habe also keine neue Richtung vorgegeben, sondern sich allenfalls den anderen angeglichen, so die Analyse der Wirtschaftszeitung. Anders gesagt: Ob im Fahrwasser der Belfius-Entscheidung jetzt auch noch andere ihre Zinsen erhöhen werden, das wird sich erst noch zeigen müssen.
Roger Pint