Gesetzlich verankert ist das "Recht auf Vergessenwerden" seit 2019. Vereinfacht gesagt soll es mehr Menschen erlauben, zum Beispiel Immobilienkredite aufzunehmen. Denn bis dahin waren Überlebende schwerer Krankheiten bei der Vergabe dieser Kredite benachteiligt. Im Klartext: Die Versicherungsgesellschaften konnten selbst beispielsweise ehemaligen Krebspatientinnen und -patienten, die schon lange als geheilt galten, entsprechende Verträge verweigern mit der Begründung, dass das Risiko einer Rückkehr der Krankheit zu groß sei.
Ohne bestimmte Versicherungen, namentlich eine sogenannte Restschuldversicherung, ist es aber schwer bis unmöglich, eine Wohnung oder ein Haus zu kaufen. Denn eine Restschuldversicherung garantiert dem Kreditgeber, dass der Immobilienkredit selbst im Todesfall weiter zurückbezahlt wird. Das Recht auf Vergessenwerden sollte also Schluss machen mit dieser Benachteiligung von Menschen mit bestimmten Krankheitsgeschichten.
Wartefristen werden verkürzt
Konkret legte das Gesetz in seiner ersten Fassung fest, dass Versicherer Menschen, die seit mindestens zehn Jahren als krebsfrei gelten, erstens die Möglichkeit geben müssen, eine Restschuldversicherung abzuschließen, und zweitens dafür keine erhöhten Prämien erheben dürfen. Allerdings gelten nicht für alle Krebsarten und andere Erkrankungen die gleichen Regeln. Im vergangenen Oktober ist das Gesetz dann angepasst worden. Seitdem ist die Wartezeit auf das Recht auf Vergessenwerden verkürzt worden, und zwar von zehn auf acht Jahre. 2025 wird es sogar noch weiter verkürzt, nämlich auf dann fünf Jahre.
Eine Krebserkrankung sei doch an sich schon schlimm genug für die Betroffenen und ihre Angehörigen, so Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke gegenüber der VRT. Wenn man all das physisch und mental überstanden habe und dann trotzdem noch sehr lange auf eine solche Versicherung warten müsse, dann sei das nichts anderes als eine doppelte Bestrafung. Und genau dagegen wolle die Regierung eben vorgehen.
Recht soll ausgeweitet werden
Jetzt will die Föderalregierung bei diesem Vorhaben aber noch einen gehörigen Zahn zulegen, wie Wirtschaftsminister Pierre-Yves Dermagne in der RTBF ausgeführt hat. Ausgehend von neuen Untersuchungen des Föderalen Kenntniszentrums für Gesundheit werde man schon in den kommenden Tagen beziehungsweise Wochen eine Entscheidung über die Ausweitung des Rechts auf Vergessenwerden fällen und umsetzen.
Die neuen Pläne der Regierung betreffen ehemalige Brustkrebspatientinnen beziehungsweise -patienten, wie der Gesundheitsminister ausführt. Wenn sich der Brustkrebs vor der Heilung nicht auf andere Gewebe ausgeweitet hat, dann soll die Wartezeit für eine Restschuldversicherung künftig komplett verschwinden. Aber Vandenbroucke macht auch anderen ehemaligen Brustkrebs-Betroffenen Hoffnung. Selbst wenn sich der Krebs ursprünglich auf andere Gewebe ausgebreitet hatte, soll eine Verkürzung der Wartezeit auf höchstens ein Jahr kommen. Und zwar, wenn sich dieser Krebs nicht zu stark ausgebreitet hatte oder schon in einem frühen Stadium erkannt und behandelt worden ist. Das werde etwa 5.000 Patientinnen und Patienten pro Jahr in Belgien betreffen, so Dermagne. Für sie soll dann schon Kürze das Recht auf Vergessenwerden automatisch und unmittelbar nach der Heilung in Kraft treten – und soll es dann damit auch keine Wartezeiten für eine Restschuldversicherung mehr geben.
Boris Schmidt