Auch wenn Brüssel insgesamt als Hauptstadt des Jugendstils gilt, so sind doch nicht alle Stadtgemeinden gleichermaßen gesegnet. Saint-Gilles zum Beispiel gilt als Schatzkiste des "Art Nouveau". Hier steht auch, nur einige hundert Meter vom berühmten Victor-Horta-Jugendstil-Museum entfernt, die "Maison Hannon" (gelegentlich auch als "Hôtel Hannon" bezeichnet).
Erbauen lassen hat sich das blass-gelb-beige Haus mit seinen typisch geschwungenen Fenster- und Balkonlinien aus Stein, Gusseisen und Holz zwischen 1902 und 1904 ein Ehepaar namens Hannon, wie der Konservator des Hauses, Grégory Van Aelbrouck, erklärt. Er, Edouard, war Belgier, sie, Marie, Französin, und diese Mischung spiegelt sich auch unübersehbar am und im Haus wider. Der Konservator spricht sogar von der belgo-französischen DNA des Gebäudes.
Dank Marie Hannon ist beziehungsweise war die Inneneinrichtung vom französischen Geschmack der Zeit geprägt. Das sieht man an vielen Details, vom damaligen Besteck und dem Marmor, den man aus Frankreich kommen ließ, bis hin vor allem zu den ursprünglichen Möbeln. Denn die stammten samt und sonders aus den Ateliers des bekannten französischen Jugendstil-Kunsthandwerkers Emile Gallé.
Die "Maison Hannon" war das einzige Gebäude das komplett mit Gallé-Möbeln eingerichtet wurde - so etwas gab es damals noch nicht einmal in Frankreich. Ein Teil dieser beeindruckenden Möbel ist heute auch wieder im Erdgeschoss des Hauses zu sehen.
Während das Erdgeschoss zumindest teilweise wieder eine Idee vom französisch-geprägten Originalzustand gibt, ist das Obergeschoss einem anderen Zweck gewidmet, der aber genauso dazu beiträgt, dass sich der Besucher in einen Hercule-Poirot-Film versetzt fühlt oder in ein Kostümdrama der Belle Epoque.
Um die Idee der belgisch-französischen DNA auch innen zu erhalten, bekommen Besucher oben im Rahmen einer temporären Ausstellung belgische Jugendstilkunst zu sehen - in all ihrer Vielfalt, sprich jenseits des immer im Vordergrund stehenden Victor Horta. Deswegen werden hier ganz bewusst Design-Werke von Paul Hankar, Gustave Serrurier-Bovy und Henry Van de Velde in den Mittelpunkt gestellt - vom chromglänzenden Glasschrank mit Besteck und anderen Essutensilien über Bett, Schminktisch, Stühle, Tische, Lampen bis hin zu Mosaiken, Gemälden und Fotos.
Dieses Leitmotiv, dass es eben auch "Art Nouveau" jenseits von Victor Horta gibt, kann man übrigens auch insgesamt über die "Maison Hannon" stellen: Denn es ist in der Tat eines der wenigen Nicht-Horta-Jugendstil-Häuser, die heutzutage besichtigt werden können. Es ist sogar ein Unikum, denn es ist das einzige Jugendstil-Gebäude von Architekt Jules Brunfaut. Das Haus ist für die Region wirklich zeitlos, so Van Aelbrouck, es illustriert, wie sehr Belgien und vor allem Brüssel ein Experimentierlabor war für moderne Architektur und Jugendstil.
Für den Konservator ist es deshalb auch gar keine Frage, warum Besucher der Hauptstadt die "Maison Hannon" künftig unbedingt in ihrer Planung berücksichtigen sollten. Einmal wegen der Ausnahme-Fassade, aber dann auch wegen des mehr als beeindruckenden, farbenprächtigen Riesen-Freskos im Innenraum, das die für den Jugendstil so zentrale imposante gewundene Treppe beherrscht und das einzigartig ist in Belgien.
Dann ist es auch einfach ein herausragendes Gesamtkunstwerk: Die Architektur, die Malereien, die Poesie des Hauses, die Evolution des Lichts über die vielfarbigen Glasfenster, die je nach Uhrzeit unterschiedliche Atmosphären schaffen und die sich an Gedichten von Emile Verhaeren inspiriert - all das macht die "Maison Hannon" zu einer ganz besonderen Jugendstil-Ikone.
Weitere Informationen über die "Maison Hannon" gibt es auf der Webseite maisonhannon.be beziehungsweise über das Jahr des Jugendstils in Brüssel unter visit.brussels.
Boris Schmidt
Einfach toll, was man in Brüssel entdecken. Ich war sehr oft in Brüssel, sein Grand Place ein Juwel, die Koenigliche Oper, Brussels Pralinen Paläste zum verlieben!!!
Flandern, seine Städte und das Flandern Festival. Letztlich Belgiens kulinarische
Köstlichkeiten und die Fülle seiner Biersorten, Raritäten von Kloster Brauerei nahe
Frankreichs... Herzliche Grüße eines Belgien Fans... Von Peter Alsbergs