Am Donnerstag sind die Ergebnisse einer neuen Umfrage veröffentlicht worden. "De Stemming" ("die Abstimmung") ist eine Art Stimmungstest unter wahlberechtigten Flamen. Durchgeführt wird dieser Stimmungstest regelmäßig von den Unis Antwerpen und Brüssel im Auftrag vom flämischen öffentlichen Rundfunk VRT und von der Zeitung De Standaard.
Wenn sie nicht mehr müssen, will rund ein Drittel der befragten Flamen auch nicht mehr hingehen zu den Kommunalwahlen. Denn Flandern hat die Wahlpflicht für die Kommunalwahlen abgeschafft. 2024 wird das zum ersten Mal angewandt.
Es gibt Unterschiede zwischen Wählern verschiedener Parteien. Am wenigsten wollen PVDA-Wähler für den Gemeinderat abstimmen, gefolgt von Wählern des Vlaams Belang - die Extremen von jeweils links und rechts. Wobei auch Groen- und Vooruit-Wähler oft nicht so sicher sind, ob sie ihre Stimme wirklich abgeben werden. Am motiviertesten sind anscheinend tatsächlich noch CD&V- und N-VA-Wähler.
Die Umfrageergebnisse legen nahe, dass es einen Zusammenhang zwischen Einkommen und Wahlbereitschaft gibt. Je mehr die Menschen verdienen, desto eher sind sie bereit, weiter zu den Wahlen zu gehen. Das befeuert Warnungen von Experten. Die warnen, dass die Abschaffung der Wahlpflicht deswegen zu einer "sozialen Verzerrung" der Wahlergebnisse führen könnte.
Ursachen
Auch bei den Ursachen gibt es eigentlich eine kurze und knappe Antwort: Sehr viele Menschen sind schlicht und einfach enttäuscht von der Politik. Eine Mehrheit der Befragten hat im Endeffekt angegeben, dass Politiker weltfremd sind und keine Ahnung haben, was wichtig für die Bürger ist - von der tatsächlichen Umsetzung von Versprechen und Projekten mal ganz zu schweigen. Das gilt durch die Bank: Egal ob flämische, föderale oder europäische Politiker, Parlamente und Regierungen - das Vertrauen der Menschen in sie dümpelt auf einer Skala bis zehn irgendwo zwischen drei und vier herum.
Die Skandale der letzten Zeit haben auch nicht geholfen. Das ist eine Schlussfolgerung, um die man wohl kaum herumkommt. Das sieht man besonders an einem Indikator, nämlich daran, wie korrupt Politiker nach Meinung der Befragten sind. Rund die Hälfte der Flamen findet, dass Korruption in der Politik in den letzten drei Jahren zugenommen hat, ein Viertel sagt sogar "stark zugenommen" hat. Wobei Korruption in diesem Kontext nicht direkte Bestechlichkeit meint, sondern zum Beispiel auch Machtmissbrauch, um sich selbst zu bereichern.
Noch Glauben in Demokratie
Dass die Flamen mit der Demokratie abgeschlossen haben, kann man so auch nicht sagen. Wobei das auch wieder von der jeweiligen Position im politischen Spektrum abhängt. Je extremer, desto stärker die Ablehnung des Systems, das sieht man ganz deutlich bei den Antworten von Vlaams-Belang-Wählern. Insgesamt sagen aber trotzdem acht von zehn Befragten, dass sie glauben, dass die Demokratie eine gute oder sogar sehr gute Regierungsform für das Land ist.
Dass einerseits mehr als die Hälfte sagt, dass die Politik immer korrupter wird und andererseits 80 Prozent trotzdem noch an die Demokratie glauben, ist nicht wirklich paradox. Die große Mehrheit der Befragten glaubt zwar an das System Demokratie an sich, aber nicht unbedingt an seine aktuellen Vertreter oder an die Art und Weise, wie die Demokratie im Land aktuell funktioniert. Das sieht man auch ganz deutlich an den Antworten. Gerade mal die Hälfte der befragten Flamen meint, dass das Land im Augenblick wirklich demokratisch regiert wird.
Ein Wert sollte die Alarmglocken wirklich schrillen lassen: Mehr als ein Drittel sagt mittlerweile schon, dass wir keine Demokratie mehr haben in Belgien.
schb/sr/km
Da kann ich mich ja richtig glücklich schätzen dass ich ggü. dem Staat von der DG über den Bundesstaat WR bis hin zur Foederation gutes Vertrauen vorweisen kann.
Niemand muss emotional parteeisch für eine Regierung sein, sondern das normalerweise einfachste der Welt ists sich Recht und Gesetz unterzuordnen, Steuern rechtmäßig zu zahlen einschließlich offiziell legaler Steuersparmaßnahmen, sich um nen guten Bildungsabschluss zu kümmern und das was die physische Situation zulässt einer rechtmäßigen Beschäftigung nachzugehen.
Niemand muss einen Nachteil befürchten durch gute Kooperation mit den staatlichen Organen. Enfin denke ich im Namen vieler zu sprechen dass ich sehr froh bin dass in Ländern wie Belgien seit etwa 2000 keine Kriegsdienstpflicht für Jugendliche mehr besteht sodass auch auf moralischer Ebene die gute Zusammenarbeit mit dem Staat fast immer frei von Stress und Kummer verläuft.
Der Artikel bringt es auf den Punkt: enttäuscht, weltfremd, keine Ahnung! Kommt noch die Selbstbedienungsmentalität mancher gottgleicher Politikdarsteller dazu. Fazit: die "Kreuzchen- mach- Demokratie" ist ein Auslaufmodell.