Er hat sein Schweigen gebrochen. Die ganze Zeit über, so betont es Tarabella gleich mehrmals, habe er sich inhaltlich nicht zu den Korruptionsvorwürfen gegen ihn geäußert, aus Respekt gegenüber den laufenden Ermittlungen.
Doch jetzt sieht der 60-jährige PS-Politiker den richtigen Zeitpunkt gekommen, seine Version der Dinge der Öffentlichkeit zu präsentieren. Dafür wählt er die Anwaltskanzlei seines Anwalts in Lüttich. Acht Minuten dauert Tarabellas abgelesener Vortrag. Nachfragen an ihn lehnt er ab, verweist dafür auf seinen Anwalt, der die ganze Zeit neben ihm sitzt.
Gleich zu Beginn bedankt Tarabella sich bei der Presse. Die meisten Medienvertreter hätten ihn fair behandelt, sagt er. Hätten ihn nicht vorverurteilt - völlig zu Recht, wie er selbst das empfindet. Danach geht er chronologisch vor, kommt auf die erste Meldung von einem Korruptionsskandal im Europaparlament zu sprechen.
Ein Skandal, in den Tarabellas langjähriger Kollege im Europaparlament - der Italiener Antonio Panzeri - verwickelt sein soll. "Ich erinnere mich, dass ich damals überrascht war", sagt Tarabella. "Ich habe an einen Irrtum geglaubt, wie eigentlich alle im Umfeld des Europaparlaments." An einen Irrtum hat Tarabella auch deshalb geglaubt, weil er Panzeri als seinen Freund empfunden hatte. Gerne und oft habe er sich mit ihm unterhalten, viel über Fußball geredet. Über die italienische Meisterschaft - Tarabella ist Sohn italienischer Einwanderer.
Dass die Nachricht kein Irrtum war, erfuhr Tarabella dann am eigenen Leib am Wochenende in seinem Haus in der Gemeinde Anthisnes, wo er Bürgermeister war. Polizei, Staatsanwaltschaft, ein Schnüffelhund und die Präsidentin des Europaparlaments platzen ins Familienleben herein. Danach ist nichts mehr wie vorher für Tarabella. Sein ehemaliger "Freund" Panzeri hatte sich zum Kronzeugen ernennen lassen. In diesem Zusammenhang hatte Panzeri Tarabella als Komplize in der Korruptionsaffäre genannt.
Als der PS-Politiker sich am Mittwoch daran erinnert, übermannen ihn die Emotionen. Fotos von ihm seien plötzlich überall auf den Titelseiten der Tageszeitungen gewesen, auch in den Fernsehnachrichten. Unter Schluchzen fügt er hinzu: "Mein Name ist überall. Der Name, den meine Familie trägt, meine Mutter, meine Frau, meine Schwester, meine Tochter, mein Sohn. Sie haben das Ganze genauso wenig verdient. Und das alles auf Grundlage der Aussage eines Mannes, der zugegeben hat, der Kopf einer kriminellen Vereinigung zu sein. Und der meinen Namen genannt hat in der Hoffnung, selbst nicht unterzugehen."
Zwei Monate muss Tarabella schließlich ins Gefängnis. Als "die schlimmste Zeit meines Lebens" beschreibt er diesen Aufenthalt. Das Gefängnis sei für niemanden einfach, und schon gar nicht für jemanden, der darin unschuldig sitzen müsse.
Denn unschuldig hat sich Tarabella immer gefühlt, sagt er. Und wiederholt das auch noch einmal bei der Pressekonferenz im Beisein seines Anwalts - wieder auf freiem Fuß, aber noch nicht frei gesprochen von den Vorwürfen: "Keine Durchsuchung hat irgendetwas ans Licht befördert", betont er. "Ich habe alle Fragen beantwortet. Das Ergebnis ist das, was ich von Anfang an gesagt habe: Ich habe nichts mit dem Ganzen zu tun."
Kay Wagner