Prominente Gäste sind nach Bastogne gekommen, um ihre Sicht der Dinge zu dem zu schildern, was Wladimir Putin als "Spezialoperation" verkauft - zum Krieg in der Ukraine und zur Frage der Wehrhaftigkeit bei der Verteidigung westlicher Werte: Politiker, Journalisten, Militärs aus Belgien, Frankreich und ein leibhaftiger Ex-Agent des KGB.
Sergej Schirnow hat im bis auf den letzten Platz gefüllten Konferenzsaal des Kriegsmuseums von Bastogne denn auch das Privileg, als Letzter reden zu dürfen. In Frankreich, wo er seit seiner Ausreise aus Russland lebt, verkaufen sich seine Bücher wie warme Semmeln: In Kürze erscheint ein Neues voller Insider-Wissen.
Auch wenn er schon lange raus ist aus dem Spionagegeschäft: Schirnow weiß, wie seine früheren Kollegen, die heute in den KGB-Nachfolgegeheimdiensten FSB oder SWR das Sagen haben, ticken - bis rauf zum Präsidenten, dem er vier Mal persönlich begegnet ist. Schon bei der ersten Begegnung, einem Verhör des Studenten Schirnow durch den jungen KGB-Offizier Wladimir Putin sei ihm dessen Charakter aufgefallen, den er als ausgesprochen reizbar beschreibt, als ehrgeizig, als revanchistisch.
Im vollen Wissen um diese Persönlichkeit habe der Westen ihn dennoch offensichtlich unterschätzt, ergänzte der frühere General der belgischen Luftstreitkräfte, Claude Van de Voorde. Auch er hatte die ein oder andere Anekdote in petto, berief sich aber vor allem auf nachrichtendienstliche Erkenntnisse, die schon vor Beginn des russischen Angriffskrieges keinen Zweifel daran lassen konnten. Er sieht den Westen jetzt schon im Konflikt mit Russland.
"Es ist kein Krieg mit offenen Waffen, aber mit Cyberattacken, Desinformation, Versuchen, die Wahlen zu beeinflussen … darüber muss man sich schon Sorgen machen", sagte Claude Van de Voorde. Der General a.D. plädierte beim Kolloquium in Bastogne für eine Nato 3.0: "Nato 1.0 war im Kalten Krieg, Nato 2.0 vom Ende des Kalten Krieges bis jetzt und nun eben Nato 3.0 - wir sind wieder in einer Logik, wo die Beistandsklausel in Artikel fünf des Nato-Vertrages besonders wichtig ist für die Solidarität unter den Mitgliedern - das ist jetzt wieder Top-Priorität."
Dass sich Wladimir Putin von dieser Allianz bedroht gefühlt haben könnte, ließ neben anderen Referenten in Bastogne auch Ex-KGB-Agent Sergej Schirnow nicht gelten: "Ça, c’est des conneries ..." Und was ist mit der Forderung nach einer möglichst baldigen Aufnahme von Verhandlungen? Mit Putin lässt sich aus Sicht von Sergej Schirnow und der Ukrainer nicht verhandeln.
Und auch General a. D. Claude Van de Voorde sieht darin keine wirkliche Lösung. "Man hat es ja versucht. Am Anfang dachte man, die Türkei werde etwas erreichen. Aber momentan, muss ich sagen, geht nichts mehr, man spricht nicht mehr miteinander. Bleibt die Frage, wie lange der Krieg noch dauert. Ich fürchte, noch lange."
Stephan Pesch