Für Bpost stand 2021 viel auf dem Spiel, als die Zustellung der Zeitungen und Zeitschriften neu ausgeschrieben wurde. Denn für das börsennotierte Unternehmen, das zu 51 Prozent dem belgischen Staat gehört, geht es um sehr viel Geld. Und zwar in doppelter Hinsicht. 2016 bis 2020, also das letzte Mal, dass Bpost die Ausschreibung gewonnen hatte, machte Bpost damit einen Umsatz von 938 Millionen Euro. Die Zustellung der Zeitungen und Zeitschriften wird dabei vom Föderalstaat subventioniert mit 170 Millionen Euro pro Jahr.
Aber die Auslieferung sichert auch zwischen 3.000 und 4.400 Arbeitsplätze bei Bpost. Gingen diese Jobs verloren, würde Bpost nicht nur ein erbitterter Sozialkonflikt mit den Gewerkschaften drohen, sondern auch Umstrukturierungskosten in Höhe von rund 100 Millionen Euro.
Mehr als genug Gründe also für Bpost, um alles daran zu setzen, die neue Ausschreibung zu gewinnen. Der damalige Geschäftsführer Dirk Tirez und zwei seiner Direktoren waren dafür sogar bereit, geltende interne Regeln zu verletzen – womit sie sich möglicherweise sogar strafbar gemacht haben.
Wie der Abschlussbericht des internen Audits ausführt, sollen die drei Führungskräfte schon kurz nach Veröffentlichung der Ausschreibung regelmäßig Kontakt gehabt haben mit den Zeitungsherausgebern DPG Media und Mediahuis. Es soll auch Treffen oder doch zumindest Kontakte gegeben haben mit dem Geschäftsführer von PPP, einem Konkurrenten bei der Zeitungsverteilung. PPP bestreitet das zwar, aber laut dem Auditbericht hat sich PPP aus der Ausschreibung zurückgezogen und damit Bpost freie Hand gelassen, nachdem die Bpost-Führung zugesagt hatte, im Gegenzug ein bestimmtes Auftragsvolumen an PPP weiterzureichen.
Es sei nur diese sehr kleine Gruppe von Personen gewesen, die die Regeln mit Füßen getreten habe, beteuerte Bpost-Sprecherin Veerle Van Mierlo gegenüber der VRT. Obwohl natürlich ein ganzes Team mit der Ausschreibung an sich befasst gewesen sei, hätten bei Bpost nur der Geschäftsführer und die zwei Direktoren Bescheid gewusst über die illegalen Absprachen. Deswegen habe das Ganze auch so lange unter dem Radar bleiben können.
Mehr noch, die drei Verantwortlichen hätten bei der ersten Phase der Untersuchung auch nicht die vollständige Wahrheit erzählt. Erst in der zweiten Phase, als die entsprechenden Dokumente untersucht worden seien, seien die Unregelmäßigkeiten entdeckt worden. Im Audit-Bericht ist selbst die Rede davon, dass Dokumente möglicherweise gefälscht wurden, bevor sie den Untersuchern übergeben worden seien. Laut Van Mierlo hat es zumindest unterschiedliche Versionen bestimmter Dokumente gegeben und Unterschiede zwischen den Berichten, die eingereicht worden seien und denen, die von den drei Bpost-Verantwortlichen selbst verwendet worden seien.
Auch über den Verlauf und den Inhalt der Absprachen mit dem Konkurrenten PPP sei man durch das Audit detailliert im Bilde, wolle sich aber nicht weiter dazu äußern, weil das interne Audit nur Bpost und die dort gemachten Fehler betreffe.
Man wolle diese Geschichte wirklich lückenlos aufklären, versicherte Van Mierlo. Und natürlich alles dafür tun, damit sich so etwas nicht wiederholen könne. Dafür würden nicht nur die bereits geltenden internen Regeln verschärft und die Teams verstärkt, die deren Einhaltung überwachen. Bpost als Ganzes werde durchleuchtet und es werde auch mehr Kontrollen geben. Direktion und Verwaltungsrat von Bpost seien fest entschlossen, Tabula rasa, reinen Tisch, zu machen und den Betrieb zu stärken. Nur so könne es gelingen, wieder zu einem vertrauenswürdigen Partner für Kunden und Staat zu werden.
Die zuständige Föderalministerin Petra De Sutter hat in einer ersten Reaktion ebenfalls die Verantwortung von Direktion und Verwaltungsrat betont, um strengere Regeln umzusetzen. Auch der nächste Geschäftsführer, der in Kürze ernannt werden soll, werde sich einsetzen müssen für eine andere Unternehmenskultur, in der die Einhaltung der Regeln und interne Kontrollen mehr Gewicht bekommen müssten. Was weitere Schritte vonseiten der Regierung bezüglich der Vergabe der Zeitungszustellung betreffe, müsse man jedoch die noch ausstehenden Ergebnisse des externen Audits abwarten.
Boris Schmidt