Trotz des technischen Fortschritts sind Flugzeuge noch immer sehr laut. Größere beziehungsweise schwerere Maschinen wie etwa Frachtflieger verursachen sogar noch mehr Lärm. Oft sind es aber gerade solche Frachtmaschinen, die nachts starten und landen.
Laut der Studie, die der "Bond Beter Leefmilieu" in Auftrag gegeben hat, sind rund 220.000 Menschen rund um den Flughafen in Zaventem stark von nächtlichem Fluglärm betroffen. 109.000 von ihnen seien sogar der Gefahr ernster Schlafstörungen ausgesetzt. Laut Modellierung des Studienbüros haben 51.000 von ihnen durch den Fluglärm ein stark erhöhtes Risiko für Bluthochdruck, 2.000 sogar auf Herz-Kreislauferkrankungen. Das sei zwar nur eine mathematische Modellierung, räumte Jasper Wouters vom "Bond Beter Leefmilieu" gegenüber der VRT ein, aber sie beruhe auf tatsächlichen epidemiologischen Untersuchungen an Flughäfen auf der ganzen Welt.
Menschen können durch nächtlichen Fluglärm in ihrem Schlaf gestört werden, bestätigte auch Johan Verbraecken. Er ist medizinischer Koordinator am Schlafzentrum des Universitätskrankenhauses Antwerpen. Selbst wenn die Menschen nicht bewusst wach würden oder glaubten, trotz des Lärms eigentlich durchzuschlafen, etwa dank Ohrstöpseln, könnten solche Störungen körperliche Spuren hinterlassen. Dazu gehörten etwa Veränderungen am autonomen Nervensystem – dem System also, das die lebensnotwendigen, automatischen Grundfunktionen des Körpers steuert. Diese Veränderungen könnten sich beispielsweise in erhöhtem Blutdruck oder einem beschleunigten Herzrhythmus niederschlagen.
Wenn der Schlaf also häufig gestört beziehungsweise unterbrochen werde, könne das zu Gesundheitsproblemen führen, so Verbraecken. Seien diese erst einmal chronisch, dann könne man auch nicht mehr viel dagegen tun. Dies sei eine Problematik, die natürlich nicht nur Flughäfen betreffe, sondern auch Menschen, die neben Autobahnen oder Bahngleisen wohnten oder anderweitig regelmäßig in ihrer Nachtruhe beeinträchtigt würden. Außerdem dient Schlaf nicht nur der Erholung des Körpers, sondern auch seiner Genesung von Krankheiten oder Infektionen, wie Jasper Wouters erinnert. Auch diese Funktion werde durch Schlafunterbrechungen in Mitleidenschaft gezogen.
Gesundheitliche Schäden bedeuten aber auch immer volkswirtschaftliche Schäden, denn schließlich führen sie zu Ausfällen und müssen behandelt werden. Allein die Kosten für das Gesundheitssystem beziffert die Studie mit über einer Milliarde Euro – pro Jahr. Umgerechnet verursache jeder einzelne Nachtflug also gesundheitliche Schäden in Höhe von 36.000 Euro, so der "Bond Beter Leefmilieu". Der Bond verlangt deshalb ein Nachtflugverbot und eine Deckelung der Zahl der jährlichen Flugbewegungen. Außerdem müssten Normen aufgestellt werden, wie laut der Lärm am Boden sein dürfe und wie oft bestimmte Gebiete überflogen werden dürften.
Dass die Umweltorganisation das Thema Fluglärm um den Brüsseler Flughafen gerade jetzt wieder aufgreift, ist übrigens auch kein Zufall: Nächstes Jahr, also 2024, muss nämlich dessen Umweltgenehmigung von Flandern verlängert werden – und diese Genehmigung kann an Auflagen geknüpft werden.
Boris Schmidt