Um die jetzige Aufregung besser zu verstehen, muss man zunächst noch einmal kurz auf die Ausgangslage zurückblicken: Im bekannten Antwerpener Konzertsaal "De Roma" im Stadtteil Borgerhout sollte eigentlich ein sogenanntes "Queer Iftar" stattfinden, ein Fastenbrechen für LGBTQ+-Menschen muslimischen Glaubens.
Die Menschen hinter der Idee für das "Queer Iftar", eine Vereinigung namens "Merhaba", treten explizit für LGBTQ+-Menschen mit Migrationshintergrund ein. "Merhaba" berichtete, so wie auch der Veranstaltungsort "De Roma" ohne weiter ins Detail zu gehen, von Stimmungsmache in den Sozialen Medien, einer immer aufgeheizteren Atmosphäre und wütenden Nachrichten und Drohungen. Weil man unter diesen Umständen die Sicherheit von Teilnehmern und Mitarbeitern nicht gewährleisten könne, müsse die Veranstaltung abgesagt werden. Viele Menschen, unter anderem aus der Politik, reagierten daraufhin empört und entsetzt angesichts der offensichtlichen Intoleranz und Einschüchterungsversuche gegenüber Minderheiten.
Keine Spuren von Bedrohungen
Bis Antwerpens Bürgermeister und N-VA-Chef Bart De Wever am Montagabend im Rahmen einer Gemeinderatssitzung die Bombe platzen ließ: Die Veranstalter hätten von einer allgemein negativen Atmosphäre gegenüber dem "Queer Iftar" gesprochen, stellte De Wever fest, so etwas müsse dann im Internet auch zahlreiche Spuren hinterlassen.
Aber man habe keine derartigen Spuren gefunden, überhaupt keine. Man habe keinerlei Hinweise auf eine Bedrohung, Einschüchterung oder gewalttätige Äußerungen gefunden, so De Wever. Weder mit religiösem noch mit fremdenfeindlichem Hintergrund. Das Einzige, was die Polizei gefunden habe, seien negative Kommentare gewesen. Aber so etwas falle für ihn unter Meinungsfreiheit - ein zu Recht geschütztes und hoch geschätztes Gut.
Der Bürgermeister ging aber noch weiter, er attackierte die Veranstalter selbst. Er finde es nicht in Ordnung, wenn sie einerseits über körperliche Bedrohungen sprächen, dann aber nicht die Polizei über den konkreten Inhalt dieser Drohungen informierten. Denn zwischenzeitlich habe sich die ganze Gesellschaft empört über diese angeblichen Bedrohungen, sei die ganze muslimische Gemeinschaft in einem schlechten Licht dargestellt worden wegen angeblicher Feindseligkeit gegenüber den LGBTQ+-Menschen. Eine Steilvorlage für Menschen, die die muslimische Gemeinschaft deswegen wieder als rückständig verunglimpft hätten.
Außerdem hätten die Veranstalter die Polizei und die Stadt auch nicht um Hilfe gebeten, um das "Queer Iftar" sicher organisieren zu können, oder um einen diskreteren alternativen Veranstaltungsort zu finden, wetterte De Wever weiter. Stattdessen einfach die Absage mit den bekannten, kontroversen Begründungen.
Vorwürfe zurückgewiesen
Diese harten Vorwürfe weisen die Veranstalter aber entschieden zurück: Die allgemeine Atmosphäre sei schon Wochen vor dem geplanten Termin immer grimmiger geworden, wiederholte "De-Roma"-Direktorin Danielle Dierckx der VRT. Dadurch sei der ganze Sinn und Zweck dahin gewesen, nämlich LGBTQ+-Menschen einen sicheren und ungestörten Ort zu bieten. Bestimmte Personen hätten Drohungen erhalten, auch sehr persönlicher Art, unterstrich Dierckx. Aber es bleibe die Entscheidung jedes einzelnen, Anzeige zu erstatten - oder eben nicht. Bislang sei das eben nicht geschehen.
Dierckx weist auch die Kritik zurück, dass die Veranstalter nicht mit Sicherheitsbehörden und Stadt zusammengearbeitet hätten und verweist in diesem Zusammenhang auf zahlreiche Kontakte und eine gemeinsame Überwachung der Lage vor der Absage. Es sei also nicht in Ordnung, wenn Bürgermeister De Wever behaupte, das "Queer Iftar" sei grundlos abgesagt worden - das sei nicht wahr und beweise einen Mangel an Empathie von De Wevers Seite, so die De-Roma-Direktorin.
Boris Schmidt
Klassische rechte/De Weversche Opferumkehr - nach dem Motto 'sie sind ja selbst Schuld, wenn...'