Auf den ersten Blick mag das ein Widerspruch sein, in bestimmten Situationen ist es aber ganz plausibel. Denken wir an unser Verhalten im Stau. Früher - also bevor Navis Standard waren - blieben die meisten im Stau einfach stehen und hofften, dass der Verkehr bald wieder fließt. Bis auf diejenigen vielleicht, die gute Ortskenntnisse hatten oder ausgefuchste Kartenleser waren. Heute jedoch nehmen viele sofort die alternative Route, die das Navigationssystem anzeigt. Je mehr Autofahrer die Ausweichstrecke nutzen, umso geringer ist die Zeitersparnis am Ende, hat das Verkehrsinstitut Vias herausgefunden. Daher ist die Beliebtheit der Navis auch gleichzeitig ihre Achillesferse.
In Belgien tritt dieser Effekt übrigens schneller ein als bei unseren Nachbarn. Das hängt mit den Besonderheiten des belgischen Verkehrswegenetzes zusammen. Im Unterschied zu unseren Nachbarländern Deutschland und den Niederlanden gibt es kaum alternative Autobahnen in Belgien. Verkehr funktioniert aber ähnlich wie Wasser: Er sucht sich seinen Weg.
Wenn sich auf einer Autobahn also ein Stau bildet, führt die Ausweichroute in Belgien fast immer über Regional- oder Nationalstraßen über die Dörfer. Dort kommt man natürlich viel langsamer voran als auf der Autobahn. Oft sind diese Straßen durch den lokalen Verkehr schon ausgelastet. Wenn dann noch der Ausweichverkehr von einer verstopften Autobahn dazukommt, dann fließt der Verkehr dort auch nur noch zäh und es kommt zu weiteren Staus, sodass man am Ende statt Zeit zu gewinnen vielleicht sogar noch mehr Zeit verliert.
Ob Navis im Stau also die beste Wahl sind, hängt vom Zeitpunkt ab: Wenn mir der Stau schon angekündigt wird, wenn er noch sehr kurz ist, dann kann es noch klappen und ich komme auf der Ausweichroute tatsächlich schneller voran. Besteht der Stau aber schon eine ganze Weile, also eine Stunde und mehr, dann brauche ich das auch nicht mehr zu versuchen. Denn dann ist das Risiko groß, dass die Ausweichstrecke auch schon dicht ist. Im schlimmsten Fall stehe ich dann dort noch im Stau, wenn auf meiner ursprünglichen Strecke längst der Verkehr wieder normal rollt.
Es macht übrigens einen Unterschied, welches Navigationssystem man benutzt. Denn die Systeme arbeiten mit unterschiedlichen Algorithmen und haben daher andere Präferenzen: Google Maps zum Beispiel setzt beim Umfahren der Staus sehr auf lokale Straßen, TomTom dagegen bleibt lieber auf den Hauptverkehrsadern. Sehr beliebt ist inzwischen auch Waze. Diese App nutzen mittlerweile zwei Millionen Menschen in Belgien. Im Unterschied zu anderen Navigationssystemen erhält Waze die Daten von seinen Anwendern während der Nutzung. Dadurch wird der Datenbestand immer aktualisiert, andererseits ist das System dadurch aber auch fehleranfälliger.
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