Im Hafen von Antwerpen werden regelmäßig Rekordmengen an Drogen gefunden, konkurrierende Drogenbanden tragen ihre Abrechnungen auf offener Straße aus und Drogenbosse wollten sogar Justizminister Vincent Van Quickenborne entführen. Das ist eine große Herausforderung für die Politik. Es stellt sich auch die Frage nach der sicheren Unterbringung verurteilter Straftäter.
Justizminister Van Quickenborne hat am Mittwoch Italien besucht. Denn wenn ein Land sich mit der Inhaftierung von Drogenbossen auskennt, dann das Mutterland der Mafia.
Hartes Gefängnisregime
In Italien sind viele schwere Drogenkriminelle inhaftiert. Oberstes Ziel ist, zu verhindern, dass die Kriminellen aus dem Knast heraus ihre kriminellen Machenschaften fortsetzen. Oft sind diese Verbrecher sehr einflussreich und haben viel Geld. Das heißt, sie haben die nötigen Mittel, um Menschen einzuschüchtern oder zu korrumpieren.
Um das zu verhindern, hat Italien ein besonders hartes Gefängnisregime entwickelt, nach Artikel 41-bis des Strafvollzugsgesetzes. Das regelt, dass die Gefangenen ihre Haftzeit praktisch in völliger Isolation verbringen, um sicherzustellen, dass wirklich alle Verbindungen zur Außenwelt gekappt werden.
Die Gefangenen sind in einem gesonderten Trakt in Einzelzellen untergebracht. 22 Stunden am Tag verbringen sie unter Verschluss, die restlichen zwei Stunden haben sie Anrecht auf Hofgang. Es gibt kein Gemeinschaftsleben, keine gemeinsamen Aktivitäten, keinen Kontakt. Die Besuchszeit ist auf eine Stunde im Monat begrenzt, je nach Härte des Verbrechens wird anstelle der Besuchszeit nur ein zehnminütiges Telefonat einmal im Monat erlaubt.
Außerdem sind die Häftlinge rund um die Uhr unter Beobachtung, alles wird kontrolliert und auf versteckte Botschaften hin untersucht. Die Gefängniswärter werden aus Sicherheitsgründen regelmäßig ausgetauscht.
Mittlerweile wird dieses sehr strenge Gefängnisregime auch bei anderen schweren Delikten angeordnet: bei Terrorismus, Entführung, Kinderpornografie und sexueller Gewalt. Insgesamt sitzen derzeit in Italien 750 von 55.000 Häftlingen nach Artikel 41-bis ein. 680 von diesen Tätern - und damit der größte Teil - sind aber tatsächlich Mitglieder der großen Mafia-Familien.
Wirksame Maßnahme oder Verstoß gegen Menschenrechte?
Allgemeiner Konsens ist, dass sich diese strenge Form der Einzelhaft als wirksame Waffe im Kampf gegen die Mafia erwiesen hat - auch wenn das nicht durch konkrete Zahlen belegbar ist. Kritiker sprechen allerdings von Verstößen gegen die Menschenrechte. Damit sind sie aber sowohl vor dem italienischen Verfassungsgericht als auch vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte gescheitert, beide Gerichtshöfe haben keine Bedenken gegen diese Form des Strafvollzuges.
Von den 750 Häftlingen verbüßen nur 300 - und damit nicht mal die Hälfte - eine lebenslange Haft. Die Unterbringung nach Artikel 41-bis erfolgt aber immer zeitlich befristet, in der Regel sind das vier Jahre. Die Justiz setzt darauf, dass die Erfahrungen auch die schwersten Kriminellen weichkocht und sie am Ende mit der Justiz zusammenarbeiten. Im Gegenzug winkt dann die Verlegung in den normalen Vollzug.
Großer Kosten- und Personalaufwand
Für Belgien sieht Justizminister Van Quickenborne dringenden Handlungsbedarf bei der Bekämpfung der internationalen Drogenkriminalität, die in Belgien immer mehr Fuß gefasst hat. Das betont er immer wieder. Ein wichtiger Puzzlestein ist dabei der Strafvollzug.
Die Frage ist nur, ob Belgien auch bereit ist, den enormen Personal- und Kostenaufwand zu betreiben, der für ein Spezialregime nach dem Vorbild von Italien nötig ist. In dem Gefängnis in Rom, das er am Mittwoch besucht hat, sind 44 Schwerverbrecher untergebracht. Für sie - und ausschließlich für sie - sind 675 Gefängniswärter zuständig, also auf einen Häftling kommen etwa 15 Wärter. Mit Blick auf die aktuelle Situation in den belgischen Haftanstalten scheint das eher unrealistisch.
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