In Belgien gibt es bereits jetzt mehr Unterbringungsplätze für Flüchtlinge als je zuvor, erinnert Premierminister Alexander De Croo gleich zu Beginn seines Presskommuniqués über die nächtliche Einigung – 38.000 nämlich. Außerdem habe Belgien ja auch noch 65.000 vor dem Krieg geflüchtete Ukrainer aufgenommen. Im europäischen Vergleich leiste man also bereits überdurchschnittlich viel.
Dass allein im letzten Jahr über 100.000 Menschen in Belgien um Schutz ersucht hätten, sei eine sehr große Herausforderung, betonte auch die föderale Asylstaatssekretärin Nicole de Moor gegenüber der VRT. So etwas könne man nicht im Handumdrehen lösen. Weswegen sie das am Donnerstag vorgestellte Maßnahmenpaket auch ausdrücklich nur als einen, wenn auch sehr wichtigen Schritt verstanden wissen will.
Man werde auf verschiedene Arten zusätzliche Unterbringungsplätze schaffen, versicherte die Staatssekretärin. Eine davon soll ein Containerdorf aus etwa 600 Wohncontainern sein, die von der Europäischen Asylagentur kommen sollen. Zudem bemühe man sich um weitere Gebäude und Gelände.
Die Lösung könne aber nicht nur lauten, einfach immer mehr Aufnahmeplätze zu schaffen, erklärte der Premier in der Pressekonferenz über das Maßnahmenpaket. Wer keinen Anspruch oder keinen Anspruch mehr habe auf einen Platz, müsse das Unterbringungssystem verlassen, machte De Croo das zweigleisige Vorgehen deutlich, um mehr Plätze freizubekommen. Mehr noch: wer alle Möglichkeiten ausgeschöpft habe, müsse das Land verlassen. Maßnahmen wie etwa eine kollektive Regularisierung illegaler Flüchtlinge kämen nicht infrage.
Eine freiwillige Rückkehr in die Herkunftsländer werde dabei zwar immer Vorrang bekommen, betonte de Moor, aber die Regierung werde verstärkt und wo notwendig auf Zwangsrückführungen setzen. Die personellen Ressourcen und formellen Voraussetzungen für beide Optionen sollen deswegen ausgebaut werden.
Das bedeutet unter anderem mehr Begleitpersonal für Abschiebungen und die Verpflichtung für abgelehnte Asylbewerber, an ihrer Rückführung mitzuwirken. Durch eine strengere Anwendung der sogenannten Dublin-Regeln sollen Asylbewerber zudem auch schneller in das europäische Land zurückgeschickt werden, in dem sie zuerst angekommen sind.
Heute befänden sich etwa eintausend Personen in den Aufnahmezentren, deren Asylanträge bereits abgelehnt worden seien, so de Moor gegenüber der RTBF. Aber während sie andere Prozeduren wie etwa Familienzusammenführungen und Regularisierungen anstrengten, dürften sie nach aktuellem Recht weiter in den Zentren bleiben.
Eine Hintertür, die nun geschlossen werde. Denn so ein Verhalten sei auch ungerecht gegenüber den Menschen, die Recht auf Unterbringung hätten, aber deswegen keinen Platz bekämen. Konkret bedeutet das: Wer nun einen negativen Asylbescheid bekommt, muss die Unterkunft binnen 30 Tagen verlassen – also deutlich schneller als es bisher der Fall ist. Bleiben dürfen nur diejenigen, die sich tatsächlich noch in einer Asylprozedur befinden.
Gleichzeitig soll auch stärker gegen Missbrauch vorgegangen werden, etwas bei der Familienzusammenführung. Hier ist unter anderem die Praxis im Fadenkreuz, ein Kind in Belgien zu bekommen oder anzuerkennen, nur um Papiere zu erhalten. Damit soll Schluss sein, wenn sich die betreffende Person nicht auch tatsächlich und konstant um das Kind kümmert.
Denn so ein Verhalten sei auch nicht im Interesse der Kinder, so die Asylstaatssekretärin. Personen, die aufgrund einer Familienzusammenführung einen legalen Status in Belgien bekommen, sollen diesen auch wieder verlieren können, wenn sie sich nicht mehr um ihre Kinder kümmern.
Neben dem aktuellen Maßnahmenpaket kündigte der Premierminister auch noch eine völlige Überarbeitung der Migrationsgesetzgebung an, da die aktuell geltenden Gesetze veraltet seien und einer Vereinfachung bedürften.
Kritik
In der Fragestunde der Kammer zerriss insbesondere die rechte Opposition den Migrations-Deal als zu schwach in der Luft. Der N-VA-Abgeordnete und ehemalige Asylstaatssekretär Theo Francken etwa kritisierte scharf, dass minderjährige Kinder nicht mehr in geschlossenen Zentren untergebracht werden dürfen. Das werde einen Ansaugeffekt bewirken, so Francken. Tom Van Grieken vom rechtsextremen Vlaams Belang forderte sogar rundheraus weniger Einwanderung.
Die Liga für Menschenrechte kritisiert derweil, dass die 700 vorgesehenen zusätzlichen Plätze in Containern nicht ausreichend seien. Auch vom Flüchtlingswerk Flandern werden die zu vagen Versprechungen über mehr Plätze angeprangert. Lokal formiert sich derweil bereits Widerstand gegen den geplanten Standort des Containerdorfs auf einem ehemaligen Militärgelände in der Gemeinde Kampenhout in der Provinz Flämisch-Brabant.
Die Liga für Menschenrechte wendet sich außerdem scharf gegen das Vorhaben, abgelehnte Asylbewerber binnen eines Monats ihrer Flüchtlingsunterkunft zu verweisen und zur Rückkehr in ihr Herkunftsland aufzufordern. Das sei im Fall von Afghanen beispielsweise oft nicht möglich, wegen der Lage in Afghanistan, wegen nicht vorhandener Flüge oder wegen eines Mangels an Reisedokumenten. Diese Menschen würden also einfach wieder auf der Straße landen.
Boris Schmidt