Seit 1911 gibt es schon den Weltfrauentag. Seit 1921 wird er jedes Jahr am 8. März begangen. Und wenn das bis heute so ist, dann, weil es immer noch nötig ist, unterstreichen Frauenrechtlerinnen. Das Beispiel, das da häufig zuallererst angeführt wird, ist die sogenannte Lohnkluft. Grob gesagt: Männer verdienen nach wie vor mehr als Frauen.
Global betrachtet verdienen Frauen 23 Prozent weniger als Männer, sagte in der RTBF Zoé Masquetier, Mitglied des Kollektivs 8. März. Das habe zum Teil damit zu tun, dass Frauen eher Teilzeit arbeiten. Ungewollt, weil sie sich ja häufig um die Kinder und den Haushalt kümmern müssen. Oder weil sie oft in Bereichen arbeiten, in denen die Gehälter sehr niedrig oder die Bedingungen prekär sind.
Schaut man sich die Lage in Belgien an, dann ist das Problem vielleicht nicht ganz so ausgeprägt, was nicht heißt, dass es keins gäbe. Wenn man die Wochenarbeitszeit herausrechnet, dann belief sich der Lohnunterschied zwischen Männern und Frauen 2020 immer noch auf 8,5 Prozent. Wenn man sich den Monatslohn anschaut, also unabhängig davon, ob man jetzt Teilzeit oder Vollzeit arbeitet, dann verdienen Männer 21 Prozent mehr als Frauen. Und nach einem Bericht der Zeitung L'Echo geht diese Schere sogar noch weiter auseinander: Die Lohnkluft zwischen Männern und Frauen ist demnach im vergangenen Jahr um mehr als vier Prozent gewachsen. Schuld sei demnach auch die automatische Indexierung der Löhne und Gehälter. Bei den Pensionen sind im Wesentlichen die gleichen Unterschiede zu beobachten.
Und die aktuellen Krisen treffen auch vor allem Frauen, sagen Frauenrechtsorganisationen. Eben, weil Frauen häufig Teilzeit, bzw. in prekären Jobs arbeiten, leiden sie noch viel stärker unter den Folgen zum Beispiel der hohen Energiepreise.
"Wenn Frauen anhalten, hält die Welt an"
Deswegen ist der Weltfrauentag in Belgien seit 2019 auch immer verbunden mit einem Streikaufruf: "Wenn die Frauen anhalten, dann hält die Welt an", sagt Zoé Masquetier vom Kollektiv 8. März. "Das ist mehr als ein bloßer Slogan. Wir wollen zeigen, welch tragende Rolle Frauen in unserer Gesellschaft spielen. Wenn alle Frauen gleichzeitig die Arbeit niederlegen, dann würden manche Sektoren zur Hälfte, manche ganz lahmgelegt".
Dieser Streikaufruf bezieht sich auf alle Bereiche des Lebens, sagt die Frauenrechtlerin. "Erstmal auf die Arbeitswelt, also Frauen, bzw. alle Menschen, die eine feministische Grundhaltung haben, sind aufgerufen, die Arbeit niederzulegen. Frauen können sich am Mittwoch aber auch zum Beispiel mal weigern, Haushaltsaufgaben zu übernehmen.
Am Mittwoch werden auch junge Frauen an den Unis für einen Tag nicht am Unterricht teilnehmen."
Unterstützung der Gewerkschaften
Die Organisatoren sprechen von einem "feministischen Streik". Und dieser Aufruf ist, zumindest bezogen auf die Arbeitswelt, nur bedingt symbolisch, sondern durchaus ernst gemeint. "In diesem Jahr wird der Appell tatsächlich auch zum ersten Mal von den Gewerkschaften unterstützt", freut sich Zoé Masquetier. Heißt: "Wenn Frauen heute die Arbeit niederlegen, dann wird das von den Arbeitnehmerorganisationen gedeckt".
Ein weiterer Schwerpunkt am Weltfrauentag ist - wie leider auch jedes Mal - das Thema Gewalt gegen Frauen. Zwar habe es hier gerade in Belgien in den letzten Jahren doch erhebliche Fortschritte gegeben, insbesondere bei der Betreuung der Opfer. Nur wünsche man sich doch noch mehr präventive Arbeit, eben, um zu verhindern, dass es überhaupt zu Gewalt kommt. "Und dazu gehört eben auch ein Justizsystem, das wirklich funktioniert", sagt Zoé Masquetier.
All diese Forderungen werden am Abend auch im Mittelpunkt der großen Abschlusskundgebung stehen. Die Demonstration soll um 18:00 Uhr in Brüssel beginnen. Im vergangenen Jahr hatten 5.000 Menschen an dieser belgischen Auflage des "Weltfrauenmarschs" teilgenommen.
Roger Pint
Der gewohnt feinfühlig, tiefgründig aber spitzen Feder von Herrn Pint kann man nur beipflichten, vielleicht wäre aber ein mehr auf das eigentliche Thema gelenkter Titel schlagkräftiger - wie beispielsweise in Le Soir "Non, le 8 mars, ce n’est pas la fête des femmes". Der 8. März ist in der Tat nicht der "Frauentag", ein "Muttertag" oder "Tag der Sekretärinnen", der seinen Namen nicht sagt, sondern der Tag, an dem die Rechte der Frauen verteidigt werden - von allen. Auch und insbesondere (hoffentlich) von Männern!
Das Grundproblem scheint neben der rechtlich-institutionellen Diskriminierung, auch im öffentlichen Raum, der mit politischem Willen Abhilfe geschaffen werden kann, die gesellschaftliche Unterdrückung von Frauen, wobei vor allem religiös-kulturelle Auffassungen für eine anhaltende Unterjochung - man kann es ruhig so benennen - über Generationen hinweg sorgen. Solange die Frau in den Köpfen der Menschen (und wieder vor allem der Männer!) das "Mütterchen/Weib" ist, wird sich nichts ändern...