Ein Blackout droht in den beiden Wintern 2025-26 und 2026-27. Davor warnt zumindest der Hochspannungsnetzbetreiber Elia. In diesen beiden "Problemwintern" werden demnach - je nach Wetterlage - Stromkapazitäten fehlen. Elia spricht im schlimmsten Fall von bis zu zwei Gigawatt; das wäre mal eben die Leistung von zwei großen Atomreaktorblöcken. Ein wichtiger Grund dafür ist, dass man nur bedingt auf Kapazitäten aus Frankreich zählen kann. Und weil der potenzielle Engpass so groß werden kann, gibt es laut Elia auch kein Vertun: Wirklich Abhilfe schaffen kann man nur mit Atomstrom. Denn zwei Gigawatt kann man nicht mal eben aus dem Hut zaubern.
Beginnen wir mal mit den Kapazitäten, die mit ziemlicher Sicherheit nicht mehr zur Verfügung stehen werden: Die Reaktorblöcke Doel 3 und Tihange 2 sind in den letzten Wochen wohl definitiv heruntergefahren worden. Beide sind ja bekannt geworden wegen der Materialschwächen an ihren Reaktorbehältern. Bis auf wenige Ausnahmen erwägt denn auch niemand ernsthaft, diese beiden Meiler wieder in Betrieb zu nehmen.
Mehr oder weniger entschieden war zudem, die Laufzeit der beiden jüngsten Reaktorblöcke um weitere zehn Jahre zu verlängern, also Doel 4 und Tihange 3. Es gibt ein entsprechendes Grundsatzabkommen mit dem Atomkraftwerksbetreiber Engie, wobei das nach wie vor nicht wirklich ausformuliert wurde. Allerdings: An beiden Anlagen müssten noch Arbeiten durchgeführt werden. Nach dem bisherigen Szenario stünden Doel 4 und Tihange 3 deswegen erst frühestens Ende 2026 zur Verfügung. Also zu spät, zumindest mit Blick auf den ersten der beiden Problemwinter.
Deswegen gab's bislang nur ein Szenario, das - zumindest auf dem Papier - die Rettung darstellen konnte: Man lässt die drei ältesten Reaktorblöcke erstmal am Netz, also Doel 1 und 2, sowie Tihange 1. Die drei Meiler wurden Mitte der 1970er Jahre in Betrieb genommen und sollten eigentlich 2025 definitiv heruntergefahren werden. Die Idee, die drei Blöcke weiterlaufen zu lassen, hat aber einen Haken: Die Anlagen entsprechen nicht mehr den neuen, sogenannten "Post-Fukushima"- Sicherheitsnormen, die eben ab 2025 gelten werden. Diese Lösung wäre also auch nicht wirklich "schlüsselfertig".
Was also soll man tun? Diese Frage hat man sich offensichtlich auch bei der Atomaufsichtsbehörde Fank gestellt. Die ist zwar eigentlich, wie es ihr Name schon vermuten lässt, nur für die Sicherheit von Atomanlagen zuständig, also jedenfalls nicht unmittelbar für die Versorgungslage. Vielleicht wollte man aber schlichtweg auf alle erdenklichen Anfragen aus der Politik vorbereitet sein. Jedenfalls hat die Fank noch ein weiteres Szenario durchgespielt, das da lautet: Man lässt Doel 4 und Tihange 3 einfach weiterlaufen, indem man die nötigen Unterhaltsarbeiten so staffelt, dass die Blöcke zumindest in den beiden Problemwintern zur Verfügung stehen. Dass die Fank mit diesem Gedanken spielt, das war schon vor einigen Wochen durchgesickert. Neu ist, dass die Behörde auch schon beim Atomkraftwerksbetreiber Engie nachgefragt hat, wie man denn dort über diese Idee denkt. Und laut Medienberichten hält man bei Engie dieses Szenario nicht für grundsätzlich abwegig, allerdings unter der Voraussetzung, dass genug Kernbrennstoff zur Verfügung steht.
Das alles steht jedenfalls in einem Brief, den die Fank der Regierung hat zukommen lassen und den einige Medien einsehen konnten. Demnach würde die Fank dieses Szenario der Idee vorziehen, die drei ältesten Reaktorblöcke weiterlaufen zu lassen. Das größte Problem wären da nämlich die erheblichen Arbeiten, die an diesen Blöcken durchgeführt werden müssten. Und das parallel zu dem, was man an den Blöcken Doel 4 und Tihange 3 unternehmen muss, um die geplante Verlängerung von zehn Jahren vorzubereiten.
Also nochmal auf den Punkt gebracht: Die Fank rät nachdrücklich von der Verlängerung der drei ältesten Blöcke ab und setzt vielmehr auf Doel 4 und Tihange 3.
Die Regierungsspitze hat am Montagmorgen über die Problematik beraten. Entschieden hat man, Elia und den Atomkraftwerksbetreiber Engie nun formell damit zu beauftragen, beide Szenarien zu prüfen. Denn letztlich entscheidet vor allem Engie, was geht und was nicht. Nicht zuletzt auf der Grundlage der geleakten Informationen der Fank ahnt man zwar schon, welches Szenario am Ende wohl bevorzugt wird. Jetzt muss sich aber eben noch zeigen, ob diese theoretischen Planspiele auch tatsächlich praxistauglich sind. Die "perfekte Lösung" gibt es in dieser Problematik offensichtlich nicht.
Roger Pint