Alles fing wohl vor vielen Hundert Jahren an. Als im Mittelalter die Städte wuchsen und immer mehr Leute dort lebten, wurde es langsam unübersichtlich und schwierig, die Menschen nur anhand des Vornamens zu unterscheiden. Das war der Moment, in dem der Beiname geboren wurde. Er machte es möglich, die verschiedenen Jans, Henrys und Marias auseinanderzuhalten.
Diese Beinamen wurden aber keineswegs frei erfunden, erklärt Chris De Wulf, Namensforscher an der Freien Universität Brüssel. In dieser frühen Phase leitete sich der Beiname von den besonderen Merkmalen ab, die eine Person von allen anderen unterschied. So wurde aus einem Jan, der sehr helles Haar hatte eben Jan De Witte. Oder jemand bekam den Beinamen De Leeuw - vielleicht weil er sehr mutig war, vielleicht aber auch nur, weil er in der Nähe einer Herberge mit gleichem Namen lebte. Oft ist der Name auch ein Hinweis darauf, woher jemand stammte, wie zum Beispiel erkennbar bei den Familiennamen Dubois oder Deville.
Häufig wurde auch aus dem Vornamen des Vaters der Beiname für die Söhne und Töchter abgeleitet. Maria, die Tochter von Peeter, wurde so Maria Peeters. Oder Peeter, der Sohn von Niklas, wurde Peeter Klaes. Eine andere beliebte Variante war die Orientierung am Beruf des Vaters.
Rechtlich geregelt wurde der Familienname erst sehr viel später in napoleonischer Zeit. Mit seinem "Code Civil" führte Napoleon 1804 das erste bürgerliche Gesetzbuch ein, und zwar nicht nur in Frankreich, sondern in allen damals von ihm besetzten Gebieten, also auch im heutigen Belgien. Mit dem Gesetzbuch wurde der bürgerliche Stand festgeschrieben und dem Familienrecht wurde das erste Buch des Code Civil gewidmet.
Unter den 300.000 Familiennamen, die es in Belgien gibt, lassen sich viele bis ins Mittelalter zurückverfolgen. Manche sind viel häufiger als andere. Das hat verschiedene Gründe. Zum einen sind bestimmte Patronyme, also Ableitungen vom Vornamen des Vaters, sehr häufig. Zum Beispiel Klaes (oder Claes), hergeleitet von Niklas. Den Familiennamen "Peeters" teilen sich landesweit über 30.000 Einwohner. Damit steht er unangefochten an der Spitze der Top 10 der am meisten verbreiteten Familiennamen in Belgien.
Das Namensrecht ist mittlerweile mehrfach reformiert worden und die Zeiten, in denen Kinder automatisch den Namen des Vaters bekamen, sind längst passé. Ob das allerdings Auswirkungen auf die Entwicklung unserer Familiennamen hat, damit können sich dann die Namensforscher in hundert Jahren beschäftigen.
vrt/statbel/sh
Zu den Familiennamen in Belgien ist noch eine Besonderheit zu benennen, nämlich, dass jede Person, ob Frau oder Mann, seinen Namen von Geburt bis Tod behält, egal ob verheiratet oder nicht. Dies wird in Ostbelgien kaum beachtet, da man sich immer noch nach Deutschland richtet. Aber man heisst so, wie der Staat einen anspricht und das ist auf allen Dokumenten zu erkennen: Pass, Personalausweis, Krankenkasse, Steueramt, Wahlaufruf etc., alles was vom Staat kommt. Ich hatte über 40 Jahre ganz selbstverständlich meinen Namen im Beruf und auch sonst überall. Seit wir jedoch in der DG wohnen werde ich ständig mit dem Nachnamen meines Mannes angesprochen. Die Menschen hier sollten sich endlich mal den Gesetzen des eigenen Landes anpassen.
Das Namensrecht ist verschieden von Staat zu Staat. Im afrikanischen Staat Kamerun kann man nicht nur den Vornamen eines Kindes frei wählen, sondern auch den Familiennamen. So kommt es, daß Geschwister unterschiedliche Nachnamen haben.
Nur Nachnamen sind keine Erfindung des Mittelalters. Schon römische Namen bestanden aus mehreren Teilen.