Alle Angeklagten waren zur Aufrechterhaltung der Ordnung in Gerichten und für die Bewachung und den Transport von Häftlingen eingesetzt. Die Vorfälle liegen bereits einige Jahre zurück: In einer ursprünglich für dienstliche Zwecke gedachten geschlossenen WhatsApp-Gruppe wurden laut Gerichtsunterlagen immer wieder rassistische Kommentare gepostet. Außerdem wurden dort auch Kollegen gemobbt.
Das Ausmaß und die Schwere dieser Vorfälle wurde aber offensichtlich irgendwann so groß, dass andere Angehörige des Bewachungs- und Transportkommandos, die so von ihren Kollegen gemobbt wurden, ihre Vorgesetzten schriftlich auf das Treiben aufmerksam machten. Es folgte zunächst lediglich eine interne Untersuchung. 2017 gelangte die Geschichte aber dann in die Medien und damit in eine Stromschnelle: Nachdem die Liga für Menschenrechte gegen die Beamten Klage eingereicht hatte, wurden Ermittlungen eingeleitet. Sogar das Komitee P, das Aufsichtsgremium für die Polizei, musste sich über den Skandal beugen.
Die Strafakte, die dem am Montag begonnenen Prozess zugrunde liegt, umfasst neben 280 Seiten WhatsApp-Gesprächen auch Zeugenaussagen von Opfern. Das Mindeste, was man sagen müsse, sei, dass die WhatsApp-Gespräche ein sehr tiefes Niveau gehabt hätten, wird der Staatsanwalt von der VRT zitiert. Sie spiegelten aber auch den Alltag am Arbeitsplatz wider, denn das Mobbing und der Rassismus hätten sich nicht nur auf die digitale Welt beschränkt.
Eine noch sehr nüchterne Aussage, wenn man den Anwalt der Liga für Menschenrechte hört. So etwas habe er noch nie erlebt, so Jos Vander Velpen. Eines der Opfer habe wegen des Mobbings zwei Selbstmordversuche unternommen. Sowohl er als auch seine Familie seien für den Rest ihres Lebens gezeichnet. Ein anderes Opfer sei konstant und übelst gemobbt worden, und zwar wegen seines Herzschrittmachers, so Anwalt Filip De Reuse, der die Ehefrau dieses Opfers vertritt. So etwas Banales habe gereicht, damit dem Mann und seiner Familie das Leben zur Hölle gemacht und sie eigentlich zugrunde gerichtet wurden. Auch über die gesundheitlichen Probleme anderer Kollegen sollen zumindest sehr üble Scherze gemacht worden sein.
Neben psychischer Gewalt gegen Kollegen steht aber auch noch ein anderer Vorwurf im Raum: Neben diversen rassistischen Äußerungen soll es nämlich auch physische Misshandlungen von Häftlingen gegeben haben. Schockierend und beispiellos sei, was sich jahrelang im Antwerpener Gerichtsgebäude habe abspielen können, so Anwalt Vander Velpen dazu.
Die Angeklagten selbst leugnen die WhatsApp-Posts nicht, fühlen sich aber missverstanden und zu Unrecht an den Pranger gestellt. Die WhatsApp-Posts müsse man im Kontext sehen, fasste Verteidiger Kris Luyckx die Position vieler Angeklagter zusammen. Gelesen klinge das viel härter als es in Wirklichkeit gewesen sei. Humor beziehungsweise Spaß sei es gewesen. Möglicherweise Humor, der fehl am Platz oder unter der Gürtellinie gewesen sei – aber ob es sich um etwas Strafbares gehandelt habe, müsse das Gericht entscheiden, so Luyckx sinngemäß. Dazu sei es aber auch wichtig, dass nun die Beklagten gehört würden, um ihre Sicht der Dinge dazulegen.
Von Einsicht oder Bedauern war bislang indes nichts zu hören, wie auch Filip De Reuse hervorhob. Er sei besorgt über den möglichen Ausgang des Prozesses, aber hoffe dennoch, dass die Justiz eine deutliche Botschaft aussenden und ihren sprichwörtlichen eigenen Stall ausmisten werde. Ob das geschehen wird oder nicht, bleibt abzuwarten. Der Staatsanwalt fordert jedenfalls für die zwei mutmaßlichen Hauptverantwortlichen zwölf Monate Gefängnis, die Hälfte zur Bewährung ausgesetzt, und eine Geldstrafe von 600 Euro. Für alle anderen Angeklagten fordert er zwischen sechs und zwölf Monaten auf Bewährung plus die gleiche Geldbuße.
Boris Schmidt