Das ist eine enorme Steigerung, wie am Freitag die Zeitung Het Laatste Nieuws unter Berufung auf die Verkehrsstatistiken der Föderalen Polizei berichtet: rund 50 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum 2021. Der Vergleich zu 2020 fällt noch extremer aus: ein Plus von fast 90 Prozent. Allerdings wurde im Corona-Jahr 2020 unter anderem wegen des ersten Lockdowns wesentlich weniger gefahren. Doch es gibt auch den Vergleich zur Vor-Corona-Zeit: Im ersten Halbjahr 2018 wurden etwas weniger als eine Million Bußen für geringere Geschwindigkeitsübertretungen ausgestellt – das sind nur halb so viele wie in 2022. Auch Geldbußen wegen höherer Geschwindigkeitsübertretungen haben zugenommen, allerdings weniger stark: von 2018 auf 2022 liegt die Zunahme bei knapp 62 Prozent, was natürlich immer noch eine kräftige Zunahme ist.
Welche Gründe gibt es dafür? Die Antwort zumindest des Verkehrssicherheitsinstitutes Vias ist schon fast lapidar: Die Chance erwischt und mit einer Geldbuße belegt zu werden, sei in den letzten Jahren deutlich größer geworden, weil technisch viel in diese Richtung investiert wurde, so Vias-Sprecher Stef Willems gegenüber der VRT, beispielsweise durch Abschnittskontrollen - und das gelte für alle Regionen des Landes. Viel mehr Geschwindigkeitskontrollen hätten eben viel mehr Geldbußen zur Folge.
Das zahlt sich auch für die Staatskasse aus: Die 2022 im Vergleich zu 2021 hinzugekommenen Geldbußen für geringe Geschwindigkeitsübertretungen bedeuteten Mehreinnahmen von etwa 40 Millionen Euro. Von Abzocke-Vorwürfen will Willems aber nichts wissen: Erstens sei das ja keine Steuer, die alle Autofahrer zahlen müssten. Zahlen müsse nur, wer die Regeln übertrete. Erwischte argumentierten auch häufig, dass sie doch kaum zu schnell gefahren seien, also beispielsweise "nur" 54 km/h anstatt der erlaubten 50 km/h. Aber das stimme nicht. Denn die auf dem Bußgeldbescheid angegebene Geschwindigkeit sei eine korrigierte Geschwindigkeit, die Polizei berücksichtige immer eine technische Marge.
Eine Marge, die im Übrigen in Belgien größer sei als in Frankreich und den Niederlanden – und auch als in Deutschland: Während der Blitzer in Belgien etwa in der 50er-Zone erst ab sieben km/h mehr auslöse, sei das in den Niederlanden schon bei drei km/h mehr der Fall. Wenn auf der Geldbuße also etwa 52 km/h stehe, dann entspreche das in Wirklichkeit eher 59 km/h. Und das sind dann eben schon fast zehn Kilometer schneller als erlaubt in einer 50er-Zone.
Und selbst wenn das in den Ohren mancher Autofahrer nicht nach so viel klingt, könne das doch sehr ernste Folgen haben. Denn man sei ja schließlich nicht allein unterwegs im Verkehr. Die Regeln seien auch da, um andere zu schützen, betonte Willems. Und für diese anderen könnten selbst vermeintlich geringe Geschwindigkeitsübertretungen einen sehr großen Unterschied machen, insbesondere, wenn diese nicht ebenfalls im Auto unterwegs seien. Fahre man etwa 40 km/h statt 30 km/h, dann bedeute das bei einem Zusammenstoß mit einem Fußgänger eine doppelt so hohe Wahrscheinlichkeit für einen tödlichen Unfallausgang.
Boris Schmidt