Hinter dem etwas nichtssagenden Begriff "nicht-kommerzieller Sektor" verbergen sich viele Berufe, ohne die das Leben zahlreicher Menschen deutlich schwieriger wäre - wenn nicht gar unmöglich. Denn zum nicht-kommerziellen Sektor gehören unter anderem auch die Menschen, die in Krankenhäusern und Alten- und Pflegeheimen arbeiten. Aber auch die Kinder- und Jugendbetreuung zählt dazu und viele andere Bereiche, die gesellschaftlich eine große und wichtige Rolle spielen.
Die Bedingungen, unter denen diese Menschen ihre Tätigkeiten ausüben, werden dem aber oft nicht gerecht, denn sie können überaus schwierig sein. Darauf hatte der Sektor bereits am 16. Dezember mit einem nationalen Aktionstag aufmerksam gemacht. Am Dienstag folgte nun eben eine nationale Demonstration. Trotz der Diversität der Profile, die man im Sektor findet, sind die Klagen, die man hört, fast immer die gleichen: Es ächzt und kracht überall im personellen Gebälk.
Die Menschen spürten die überall herrschenden Personalengpässe sehr stark, bestätigte auch Jan-Piet Bauwens von der sozialistischen Gewerkschaft der VRT, der Arbeitsdruck nehme immer weiter zu. Quasi täglich bekämen die Menschen neue Dienstpläne aufs Auge gedrückt, manchmal bekämen sie einfach Anrufe oder Textnachrichten, dass sie am nächsten Tag ungeplant arbeiten müssten und so weiter - unhaltbare Zustände für den Gewerkschafter.
Überall sehr hoher Druck
Der Druck sei überall enorm hoch, so auch Sanne Thyrion, der in der Pflege arbeitet - nicht nur auf den Intensivstationen, auch in den Krankenhäusern und Alten- und Pflegeheimen. Vielen Menschen, die er kenne, stehe das Wasser eigentlich bis zum Hals. Manchmal sei der Personalmangel so schlimm, dass Pflegeeinrichtungen sogar einen Aufnahmestopp verhängen müssten, so Mark Selleslach von der christlichen Gewerkschaft.
Die Lage sei schon sehr lange extrem angespannt, bestätigte auch Dan Lecocq, Vorsitzender des nationalen Verbandes der belgischen Krankenpfleger, in der RTBF. Es gebe nicht mehr genug qualifiziertes Personal, um sich richtig um die Patienten zu kümmern.
Dieser Personalmangel habe seit Corona eigentlich nur noch zugenommen, betonte Sanne Thyrion. Schon die Ausgangslage sei durch eine strukturelle Unterbesetzung im ganzen Sektor gekennzeichnet. Dann fielen Menschen aus, die aber wegen zu wenig Mitteln nicht ersetzt würden. Das bedeute mehr Druck auf die übriggebliebene Belegschaft, was diese Menschen noch mehr erschöpfe - ein Teufelskreis. Denn Überstunden abbauen und wirklich Urlaub nehmen könnten sie so oft ja auch nicht mehr.
Durch diese überaus harten Arbeitsbedingungen seien die Jobs auch nicht mehr attraktiv und zögen keine neuen Bewerber an. Wodurch eben tausende Stellen unbesetzt blieben, was den Arbeitsdruck auf das verbliebene Personal noch weiter erhöhe.
Politik soll endlich aktiv werden
Deswegen wollen die Gewerkschaften auch, dass die Politik endlich aktiv wird - und zwar auf allen Ebenen des Landes: Man könne wirklich nicht auf die Wahlen nächstes Jahr warten, wetterte Mark Selleslach - und schon gar nicht auf den Abschluss der Koalitionsverhandlungen. Es sei unverantwortlich, den Sektor so lange warten lassen zu wollen. Die Krise sei jetzt, dieses Signal wolle man mit der Demonstration von Dienstag auch ganz deutlich geben.
Bisher seien die Reden der Politiker eben genau das geblieben: Reden. Aber auf echte Pläne, um die Berufe attraktiver zu machen und die Menschen dort zu halten, warte man weiter vergeblich, kritisierte auch Dan Lecocq. Mehr Anerkennung, eine finanzielle Aufwertung, bessere Ausbildungs- und Arbeitsbedingungen und positive Kampagnen - das sind nur einige der Vorschläge der Gewerkschaften, um die Situation zu verbessern.
Boris Schmidt