Auch die Bahn müsse mit den steigenden Lebenshaltungskosten Schritt halten, erklärte SNCB-Sprecherin Elisa Roux im Interview mit der RTBF. Deswegen würden die Tarife zum 1. Februar erhöht, im Schnitt um 8,73 Prozent.
Im Schnitt heißt natürlich auch, dass nicht alle Reisenden gleich stark zusätzlich zur Kasse gebeten werden, wobei die prozentualen Unterschiede wirklich recht klein sind: Über-65-Jährige und Unter-26-Jährige kommen noch am günstigsten weg mit respektive 60 Cent und 50 Cent mehr für ein "Senior-" beziehungsweise "Youth-Ticket". Ein digitaler Zehn-Fahrten-Rail-Pass wird neun Euro teurer, also 90 Cent mehr pro Fahrt, die Papierversion kostet drei Euro mehr. Für Abonnements für Fahrten zwischen Wohnort und Arbeitsplatz wird die SNCB die Preise um 9,73 Prozent erhöhen. Und schließlich wird auch noch der "Diabolo-Zuschlag" teurer, den man bezahlen muss, wenn man mit dem Zug zum Flughafen Brüssel reist.
Die SNCB passe ihre Preise jedes Jahr an, erinnerte die Bahn-Sprecherin, in Abhängigkeit vom sogenannten Gesundheitsindex, also auf Basis der Entwicklung der Lebenshaltungshaltungskosten und Inflation. Und die sind eben kräftig gestiegen. Die SNCB sei mit ihren über 3.800 täglichen Zugverbindungen außerdem der größte Energieverbraucher des Landes, was dann eben wegen der stark gestiegenen Energiepreise entsprechend zu Buche schlage. Allein im Jahr 2023 werde die Rechnung um mehr als 200 Millionen Euro steigen. Und dann ist da natürlich auch noch der andere, wohlbekannte große Kostentreiber: Die verschiedenen Indexanpassungen der Löhne hätten ebenfalls starke finanzielle Auswirkungen auf die Bahn gehabt, so Roux. Mit den Preiserhöhungen ab 1. Februar könne auch nur ein Teil der gestiegenen Betriebskosten ausgeglichen werden, hieß es von der Bahn weiter.
Mobilitätsminister Georges Gilkinet weist derweil Vorwürfe entschieden zurück, dass die Preiserhöhungen politisch motiviert seien. Im Geschäftsführungsvertrag, den der Staat mit der Bahn abgeschlossen habe, sei festgelegt, dass die Ticketpreise jedes Jahr im Februar entsprechend der aktuellen Inflationsrate erhöht werden müssten. Gilkinet räumt im Interview mit der Zeitung Le Soir aber ein, dass das Signal, das mit den Preiserhöhungen ausgesendet werde, schon irgendwie paradox sei in Zeiten, in denen Regierungen auf der ganzen Welt die Menschen zum Zugfahren animierten, um fossile Brennstoffe zu sparen. Der Grünen-Politiker betont deshalb auch, dass die kostenlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nach wie vor ein Ziel seiner Partei bleibe.
Eine Vorstellung beziehungsweise ein Vorsatz, die aber auch kritisch gesehen werden können: Der Ticketpreis, den die Endkunden zahlten, decke nur 30 Prozent der tatsächlichen Kosten, so der Mobilitätsexperte Bart Jourquin von der UCLouvain, ebenfalls in Le Soir. Der Rest der Rechnung werde vom belgischen Staat bezahlt. Zugfahren in Belgien sei deswegen ja auch nach wie vor recht günstig im Vergleich zu den Nachbarländern. Sprich: Wenn die Kunden fürs Zugfahren weniger oder irgendwann sogar gar nichts mehr zahlen würden, dann bedeute das nur, dass der Staat noch mehr blechen müsse, denn der Betrieb an sich koste ja weiter Geld. Die kostenlose Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei in dem Sinne ein Mythos, eine Milchmädchenrechnung. Die Preise zu erhöhen sei angesichts der steigenden Kosten schlicht unvermeidlich.
Auch aus umweltpolitischer Sicht ist der Experte nicht überzeugt: Studien in Städten mit kostenlosem Nahverkehr zeigten, dass der Autoverkehr dadurch nicht verringert werde. Es sei zwar richtig, dass mehr Menschen dann öffentliche Verkehrsmittel nutzten, aber dabei handele es sich vor allem um Menschen, die vorher zu Fuß gegangen seien oder das Fahrrad benutzt hätten. Günstigere beziehungsweise kostenlose Tickets animierten Menschen dazu, sich überhaupt erst an einen bestimmten Ort zu begeben. Wenn die SNCB wirklich mehr Kunden von der Straße holen wolle, dann müsse sie sich entwickeln, so der Experte: Weg vom reinen Transportdienstleister, hin zum Servicedienstleister, wie etwa mit den Ruheabteilen, die gerade getestet werden.
Boris Schmidt