Der Medikamentenmangel sei ein großes Problem, sowohl in Belgien als auch in anderen Ländern, räumte der föderale Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke am Montag ein. Um dem entgegenzuwirken, habe man am Samstag einen Königlichen Erlass veröffentlicht, der es Belgien erlaube, die Ausfuhr von Medikamenten einzuschränken, wenn diese knapp würden. Das gelte für essenzielle Medikamente und in Notfällen, also zeitlich begrenzt, unterstrich der Minister.
Zwischenhändler müssten die Föderale Agentur für Medikamente und Gesundheitsprodukte AFMPS dann um Exportgenehmigungen für Medikamente bitten, so Vandenbroucke in der RTBF. Wenn es wirklich einen Mangel gebe, dann könne die Agentur den Export dieser Medikamente durch die Zwischenhändler verbieten.
"Parallele Exporte"
Es geht hier ganz explizit nicht um die Hersteller, sondern um die Groß- beziehungsweise Zwischenhändler. Deswegen spricht der Minister auch von "parallelen Exporten". Die Händler fühlen sich aber vollkommen zu Unrecht an den Pranger gestellt. Man verstehe nicht, warum ausgerechnet das die Schlüsselmaßnahme zur Lösung des Problems sein solle, so Olivier Delaere. Er ist Geschäftsführer von Febelco, Marktführer für die Verteilung von Medikamenten in Belgien. Man könne ja nicht exportieren, was man gar nichts habe, deswegen werde das den Medikamentenmangel in Belgien auch nicht lösen. Es sei doch allgemein bekannt, dass es sich um ein weltweites Problem handele und es die Fabriken seien, die nicht hinterherkämen, beteuerte Delaere.
Das sehen aber durchaus nicht alle so eindeutig: Eigentlich gebe es genug Medikamente für den belgischen Markt, erklärte etwa Caroline Ven am Dienstagmorgen bei Radio Eén. Die Hersteller würden ausreichende Kapazitäten und Mengen vorsehen, um die Patienten hierzulande zu versorgen. Ven ist Geschäftsführerin des Branchenverbandes Pharma.be. Das Problem seien die parallelen Exporte der Zwischenhändler. Das seien Lecks im System, durch die Medikamente, die für den belgischen Markt vorgesehen seien, ins Ausland abflössen.
In dieser Hinsicht begrüße man den Königlichen Erlass über mögliche Exportbeschränkungen für Groß- und Zwischenhändler. Die belgische Pharmaindustrie beziehungsweise ihr Branchenverband habe diesbezüglich auch konstruktiv zusammengearbeitet mit der Arzneimittelagentur und dem Kabinett Vandenbrouckes.
Notvorrat essenzieller Mittel anlegen
Belgien habe außerdem mit der Pharmaindustrie schon andere Vereinbarungen getroffen, um eine Versorgung mit Medikamenten zu gewährleisten, etwa, dass die Hersteller einen Notvorrat essenzieller Mittel anlegten, um einen plötzlich höheren Bedarf kompensieren zu können. Oder die Möglichkeit, eigentlich für andere Märkte bestimmte Chargen umzuleiten, wenn bestimmte Medikamente knapp würden.
Aber es gebe eben Probleme, die dennoch zu Versorgungsengpässen führen könnten: Darunter der freie Warenverkehr innerhalb Europas, aber auch der hohe Preisdruck und die Qualitätsnormen, beklagen verschiedene Pharma-Branchenverbände in einem gemeinsamen Kommuniqué.
Langwieriger Genehmigungsprozess
In Belgien seien die Preise für Medikamente schon niedrig und außerdem würden sie in gewissen Zeitabständen weiter automatisch sinken. Das mache nicht nur parallele Exporte so verlockend, sondern stelle auch die Hersteller vor ein Dilemma: Denn die Pharmaindustrie könne nicht einfach so die Preise erhöhen und Mehrkosten wie jetzt durch die Energiepreiskrise an die Kunden weiterreichen. Das sei jedes Mal ein langwieriger Genehmigungsprozess, der sich Monate hinziehen könne. Sprich die Industrie stehe manchmal vor der Wahl, ein Produkt mit Verlust weiter verfügbar zu halten - oder es vom Markt zu nehmen.
Deswegen führe man auch schon Gespräche mit dem Wirtschaftsminister über die Festlegung der Preise für Medikamente in Belgien, sprich über eine mögliche Vereinfachung der Prozeduren für Preiserhöhungen. Preiserhöhungen wohlgemerkt für die Medikamente, deren Verkauf aktuell kaum rentabel sei und die wichtig seien für die belgischen Patienten.
Boris Schmidt