"Ich bin nach Belgien gekommen, weil ich davon ausgegangen war, dass ich hier gut empfangen würde. Aber, ganz ehrlich: Es ist eine Katastrophe." Jean-Loïc ist Kongolese. Nach einer Irrfahrt durch halb Europa ist er in Belgien gelandet. Weil aber nicht ausreichend Unterkünfte zur Verfügung standen, verschlug es ihn in das besetzte Haus in der Rue des Palais in Schaerbeek, nicht weit vom Brüsseler Nordbahnhof. Hier leben bis zu 1.000 Menschen auf engsten Raum; meist sind es Asylbewerber. Die Bedingungen sind katastrophal: Krankheiten, Gewalt, kürzlich sogar ein Brand... Ein regelrechtes Horrorhaus, das zum Symbol für die Asylkrise geworden ist.
Die hat im Grunde schon Ende 2021 begonnen. Die Dienste, die sich um Flüchtlinge und Asylbewerber kümmern, waren damals schon vollkommen überlastet. Nicht nur, dass zu wenige Auffangstrukturen zur Verfügung standen, es kamen zudem mehr Menschen an, als aus den Strukturen abflossen, sagte in der VRT Fanny François von Fedasil. Wir brauchen also einen Wendepunkt: Die Anträge müssen schneller abgearbeitet und der Rückstand abgebaut werden, um dem Mangel an Unterkünften entgegenzuwirken.
Jetzt gibt es zwar eine neue Perspektive. So soll den verschiedenen zuständigen Diensten deutlich mehr Personal zur Verfügung gestellt werden. Es dürfte aber noch lange dauern, ehe der Rückstand abgebaut ist. Und, nicht vergessen: Der Krieg in der Ukraine ist ja auch noch nicht vorbei, droht sogar in eine noch brutalere Phase einzutreten. Rund zwei Drittel der knapp 100.000 Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr nach Belgien gekommen sind, waren Menschen aus der Ukraine.
Doch erklärt oder rechtfertigt das alles nicht die Zustände in besagtem besetzen Haus in Schaerbeek, war man sich im Parlament einig. "Was man da sehen kann, das spottet jeder Beschreibung", beklagte Greet Daems von der marxistischen PTB. Nicht vergessen: Es handelt sich hier um Menschen, um Schutzbedürftige, die unter erbärmlichen Umständen versuchen, zu überleben.
"Seit Monaten warnen wir vor einer solchen Situation", hakt Simon Moutquin von Ecolo ein. "Worauf warten Sie noch?", wendet er sich an die zuständige Asylstaatssekretärin Nicole de Moor. "Wann sehen wir endlich Lösungen? Wann werden Flüchtlinge endlich angemessen in diesem Land empfangen? Wann sehen wir endlich die Wahrung der Menschenrechte?"
Kritik aber auch von rechts: "Was wir hier sehen, das ist doch die Folge ihrer Politik", wetterte Tomas Roggeman von der N-VA. "Die Vivaldi-Koalition hat durch ihren laxen Umgang mit der Problematik diese Krise erst heraufbeschworen; und danach kommen Sie hier jammern, über die Folgen ihrer eigenen Politik. Übernehmen Sie doch endlich Verantwortung."
"Ja, in Schaerbeek gibt es ein Problem", räumte indes Asylstaatssekretärin de Moor freimütig ein. Nur sei es nicht so, als schauten da alle nur tatenlos zu. Erste Feststellung: In besagtem besetzen Haus befinden sich nicht nur Flüchtlinge oder Asylbewerber, sondern auch Obdachlose oder Illegale. Fedasil sei also gerade schon aktiv dabei, die Menschen aus dem Gebäude herauszuholen, die Anrecht auf eine Asylprozedur haben. Inzwischen habe man schon rund 150 Asylbewerber aus dem Haus herausgeholt. Das gehe allerdings nur schrittweise, da ja in der Zwischenzeit immer neue Flüchtlinge vorstellig werden.
Was die Obdachlosen und Illegalen angeht: Auch um die mache sie sich natürlich Sorgen, sagte Nicole de Moor. Sie sei allerdings nicht zuständig, sondern die Gemeinde Schaerbeek bzw. die Region Brüssel. Sie wolle damit die Verantwortung damit aber nicht bloß weiterreichen. "Sagen wir mal so", sagt de Moor, "ich übernehme meine Verantwortung; wenn jeder das tut, dann können wir das Problem gemeinsam lösen".
Roger Pint