"Dieses Abkommen macht die Verlängerung der Laufzeit der beiden jüngsten Kernreaktoren möglich." Die "frohe Botschaft" aus dem Mund des Chefs persönlich. "Macht die Laufzeitverlängerung 'möglich'", sagt Premierminister Alexander De Croo. "Möglich machen", das heißt natürlich nicht "garantieren".
Ist es wirklich sicher, dass die Reaktorblöcke Doel 4 und Tihange 3 vor dem Winter 2026-27 tatsächlich einsatzbereit sind, fragen sich Kritiker. "Garantien kann Ihnen da niemand geben", erwidert der Premierminister. Ganz einfach, weil man da nicht alle Faktoren in der Hand habe. Es handele sich eben um technische Anlagen. Damit verbunden ist ein gewisses Maß an Unwägbarkeiten. "Man kann Ihnen schließlich auch nicht garantieren, dass Ihr Auto morgen anspringt", sagte De Croo in der VRT.
Aber, worauf hat man sich denn letztlich geeinigt? Nun, so sagt De Croo: Das Abkommen hat eine unmittelbare Folge. Nämlich, dass die Arbeiten mit Blick auf die Laufzeitverlängerung der beiden Reaktorblöcke jetzt sofort beginnen. Schon am Dienstag wird Engie mit Studien und Voruntersuchungen starten, um zu ermitteln, welche vorbereitenden Arbeiten nötig sind. Die Laufzeitverlängerung eines Atomreaktors will natürlich akribisch vorbereitet werden.
In einem Boot mit Engie
Das alles klingt allerdings in Kritiker-Ohren immer noch allzu unverbindlich. Kann man wirklich davon ausgehen, dass sich Engie jetzt gleich entschlossen in die Arbeit stürzt, fragt sich der eine oder die andere. "Nun, wir sitzen jetzt in einem Boot", reagiert Premier De Croo. Es wird eine Betreibergesellschaft gegründet, die die beiden Reaktorblöcke verwalten soll. Daran werden der Staat und Engie gleichermaßen zu 50 Prozent beteiligt sein. "Wir haben also jetzt gemeinsame Interessen, ein gemeinsames Ziel", sagt der Regierungschef. Das ganze Abkommen sei darauf ausgelegt, dass es Anreize beziehungsweise Zwänge gibt, die die Partner dazu bringen, alles zu tun, damit die Meiler Ende 2026 wieder hochgefahren werden können.
Ja, der Staat werde dadurch Mitbesitzer von Kernkraftwerken und ja, der Staat müsse dadurch auch die damit verbundenen finanziellen Risiken mittragen. Aber, so sagt De Croo: Genauso wird der Staat auch an den möglichen Gewinnen beteiligt, die die Kernreaktoren abwerfen. "Wir nehmen wieder einen Teil unserer Energiepolitik selbst in die Hand", betont der Premier. "Das war es doch, was Kritiker immer beklagt hatten, nämlich, dass die energiepolitischen Entscheidungen, die uns betreffen, in unseren Nachbarländern getroffen wurden. Jetzt werden wir zum Partner und damit zu einem Akteur."
Ausgeklammerte Punkte
Bleibt allerdings die Frage nach den Punkten, die erstmal ausgeklammert wurden. Es ist so: Engie verlangt, dass man die Kosten für die atomaren Altlasten ein für alle Mal beziffert - die Kosten für den Rückbau der Atomkraftwerke, der irgendwann einmal ansteht - und auch die Kosten für die Endlagerung des Atommülls. Hier geht es um einen stattlichen zweistelligen Milliardenbetrag. Das übernimmt der Betreiber. Nur verlangt Engie jetzt eine definitive Summe, die man dann so in die Planungen aufnehmen kann. Eine solche Schätzung kann aber niemand liefern. Eigentlich lässt man sich auch gar nicht darauf ein, auf die Gefahr hin, dass die Kosten am Ende höher ausfallen. Das ginge nämlich dann zu Lasten des Staates, also der Steuerzahlenden.
Engie saß aber bei diesen Verhandlungen am längeren Hebel und hat die Regierung dazu gezwungen, diese Frage zu beantworten. Das ist noch nicht passiert. Deswegen sprechen Kritiker denn auch von einem "Teilabkommen". Denn: Man könne sich an den fünf Fingern abzählen, dass Engie erst dann wirklich entschlossen auf die Laufzeitverlängerung hinarbeiten werde, wenn die Frage nach den nuklearen Folgekosten endgültig geklärt und eine Summe festgeklopft wurde. Bis März sollen jetzt erstmal neue Daten erhoben und Berechnungen angestellt werden. Im Juli soll dann ein wirklich definitives Abkommen unterzeichnet werden - so zumindest ist es geplant.
"Aber, eins nach dem anderen", sagt De Croo: Erstmal sei es wichtig, dass die vorbereitenden Arbeiten jetzt beginnen, "damit wir die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass die Reaktorblöcke Ende 2026 tatsächlich zur Verfügung stehen".
Roger Pint