Eigentlich klingt die Formulierung sehr unverdächtig: "Gedankenaustausch mit der Präsidentin des Europäischen Parlaments", Roberta Metsola, steht dort nämlich zu lesen als Punkt eins der Tagesordnung von Donnerstag - wenn da nicht der Sturm namens "Katargate" wäre, der bekanntermaßen über das Europäische Parlament hereingebrochen ist und der weiter sehr hohe Wellen schlägt. Es geht um die Bestechung von aktuellen und ehemaligen EU-Abgeordneten, um Entscheidungen im Sinne des Emirats am Persischen Golf zu beeinflussen.
Wobei aber die Frage ist, wie lange "Katargate" noch ein passender Name sein wird. Die Hinweise, dass auch Marokko in den Korruptionsskandal verwickelt sein könnte, verdichten sich nämlich immer weiter. Sollte sich das bestätigen, so wird das aber allenfalls noch das Ausmaß des Skandals beeinflussen - der grundsätzliche Schaden ist längst angerichtet. Das räumte auch Metsola bei ihrer Ankunft gegenüber der versammelten Presse ein.
Sie werde natürlich auch über die strafrechtlichen Vorwürfe sprechen, so Metsola. Die Korruptionsvorwürfe seien nicht nur ein Schlag für die Demokratie, sondern für alles, wofür man viele Jahre lang gearbeitet habe. Vertrauen aufbauen dauere Jahre, aber ein Augenblick reiche, um es zunichte zu machen.
Eine Einschätzung, die auch Premierminister Alexander De Croo teilt, wie er bei seiner Ankunft unmissverständlich deutlich machte. Sehr schädlich sei der Korruptionsskandal für das Vertrauen der Bürger in die Institutionen, so De Croo. Dass Europaabgeordnete die Hand aufgehalten hätten, finde er unbegreiflich und verwerflich.
Das Bild, das das EU-Parlament jetzt in puncto Transparenz und Kontrollmechanismen abgebe, sei nicht hinnehmbar und wirklich schockierend. Das schade dem Ansehen der Europäischen Institutionen nicht nur innerhalb Europas, sondern auf der ganzen Welt, so der Premier weiter. Europas Gegner lachten sich nun ins Fäustchen.
Zumindest für De Croo ist deswegen klar, was vom Europäischen Parlament beziehungsweise seiner Präsidentin Metsola kommen muss: Vorschläge, um das EU-Parlament transparenter zu machen und um mehr Kontrolle von außen zu ermöglichen. Das Europäische Parlament habe besonders viel Macht und Einfluss. Deswegen müsse es auch entsprechende Kontrollmechanismen haben, um sicherzustellen, dass diese Macht und dieser Einfluss auch korrekt eingesetzt würden.
Verhindern, dass sich so etwas in Zukunft wiederholen kann, ist das eine. De Croo hat den Blick aber auch fest auf das Kind gerichtet, das schon in den Brunnen gefallen ist: Die belgische Justiz bekomme viel Anerkennung für ihre Arbeit, sowohl in der ausländischen Presse als auch im EU-Parlament. Nun müsse sie ihre Rolle bei der Aufarbeitung weiterspielen können, den Vorwürfen müsse wirklich auf den Grund gegangen werden.
Auch darin scheint sich De Croo mit Metsola einig zu sein: Es werde keine Straflosigkeit geben, kein Unter-den-Teppich-kehren, kein Business-as-usual, so die EU-Parlamentspräsidentin. Sie werde gemeinsam mit ihren Kollegen alles tun, um das Ansehen des Parlaments wiederherzustellen.
Boris Schmidt