Das neue Gefängnis von Haren werde ein "Flaggschiff" sein für die Revolution im belgischen Strafvollzugssystem, hatte der Justizminister bei der Einweihung hervorgehoben. Bleiben wir kurz bei diesem Bild: Schon beim Auslaufen hat die Besatzung offenbar festgestellt, dass das Schiff gleich mehrere, nicht ganz kleine Lecks hat. Van Quickenbornes neue Harener Matrosen proben deshalb nun, noch in Sichtweite des Hafens quasi, schon die Meuterei.
Es habe keinen Probelauf gegeben, beklagt etwa Julie Dewaels von der sozialistischen Gewerkschaft gegenüber der VRT. Dadurch kämen viele Probleme erst jetzt ans Licht. Normalerweise müssten neue Gefängnisse einen langen Probebetrieb durchführen, sprich die Abläufe würden ohne Häftlinge getestet und abgestimmt, bis alles klappe, so auch ihr Kollege Joachim Vermaeren. In Haren habe alles schnell, schnell gehen müssen. Die vier durchgeführten Test-Tage reichten einfach nicht für ein derartiges Gefängnis.
Gefängnis noch eine Baustelle
Was man vom Personal zu hören bekommt, ist teilweise auch durchaus haarsträubend. Er drücke auf den Knopf, um eine Tür zu öffnen, auf gehe aber eine andere, so etwa Stijn Van den Abeele von der liberalen Gewerkschaft. Oder sie öffne sich zu einer anderen Zeit als vorgesehen und ähnliches. Schuld daran seien Programmierfehler. Das Gefängnis sei noch eine Baustelle – und das bedeute, dass sich das Personal auch um Dinge kümmern müsse, die gar nicht vorgesehen seien.
Erst am Dienstag habe einer ihrer Kollegen 20 Minuten in einer Sicherheitsschleuse festgesessen, ohne dass ihn jemand gesehen hätte oder ihm hätte helfen können, so Julie Dewaels. Das deutet darauf hin, dass es Probleme gibt mit den Badges, die die traditionellen Schlüssel ersetzt haben.
Badges, die es, natürlich nicht in gleichem Umfang, sowohl Personal als auch Insassen erlauben sollen, sich durch die Haftanstalt zu bewegen. Und das funktioniere einfach nicht flott, so Dewaels weiter.
So etwas könne es ja mal geben, räumt Van den Abeele ein, aber hier gehe es doch um ein Gefängnis mit Häftlingen. Das könne die Sicherheit des Personals und des Rests des Landes in Gefahr bringen. Und nicht vergessen: In Haren sitzen auch etwa Personen ein, die gerade wegen der Terroranschläge von Brüssel vor Gericht stehen.
Zu wenig Personal
Die Streikenden ärgern sich aber nicht nur über technische Probleme: Es gibt – wie auch in anderen Gefängnissen natürlich – nicht ausreichend Personal. Und ohne ausreichend Personal können nicht so viele Häftlinge in Haren untergebracht werden, wie eigentlich vorgesehen. Dabei war ein Ziel der neuen Haftanstalt ja ganz explizit, Häftlinge von anderen, vollkommen überfüllten Gefängnissen zu übernehmen, um sie beziehungsweise auch das dortige Personal zu entlasten.
Zu wenig Personal sei auch ein Faktor dafür gewesen, dass die technischen Probleme nicht vorher entdeckt worden seien, so die Gewerkschaften. Sie fordern deshalb mehr Rekrutierungsanstrengungen beziehungsweise attraktivere Arbeitsbedingungen, um eben mehr Bewerber anzulocken.
Das tatsächlich in Haren vorhandene Personal hat im Übrigen auch noch andere Klagen. Die haben mit dem neuen Konzept des Gefängnisses zu tun. Statt wie früher "Wärter" gibt es nun "Haftbegleiter" und "Sicherheitsassistenten". Das sind aber nicht einfach nur neue Bezeichnungen, es sind zwei separate Jobs mit jeweils eigenen Funktionen und Aufgaben.
Haftbegleiter etwa sollen im Prinzip die Insassen begleiten während ihres Aufenthalts im Gefängnis und deutlich mehr Kontakt haben zu ihnen als früher "Wärter". Sie sollen die Häftlinge so etwa dazu motivieren, zu arbeiten, Sport zu treiben, sich fortzubilden und Ähnliches. Dafür müsse das Personal ausgebildet werden, betont Julie Dewaels, was aber nicht geschehen sei. Es habe sich eigentlich nur der Name verändert, mehr sei nicht passiert. Da habe man doch viel mehr erwartet.
Boris Schmidt