Auch wenn es schon tausend Mal gesagt worden ist: Belgien ist ein Opfer seiner verkehrsgünstigen Lage. Gerade, was den Handel mit Drogen angeht. Denn mit dem Hafen von Antwerpen steht den Kriminellen aus aller Welt und insbesondere aus Mittel- und Südamerika ein gigantisches maritimes Einfallstor nach ganz Europa offen. So viele Schiffe legen hier an, so viele Container werden hier durchgeschleust und in alle möglichen Länder weiter transportiert, dass eine effektive Kontrolle schon rein zahlen-technisch unmöglich ist. Daran wird, zumindest nach aktuellem Stand, auch immer modernere Technik wenig ändern: Die Zeit und die personellen Ressourcen werden nie ausreichen für eine vollständige Kontrolle.
Immer wieder gelingen Zoll und Polizei beziehungsweise Justiz zwar spektakuläre Erfolge - Stichwort SkyECC. Jedes Jahr werden auch mehr Drogen aufgespürt und beschlagnahmt. Aber trotz allem gehen sogar die Sicherheitsbehörden selbst davon aus, dass sie nur die sprichwörtliche kleine Spitze des Eisbergs vor Augen haben.
Konservative Schätzungen gehen davon aus, dass Jahr für Jahr Drogen mit einem Wert zwischen 50 und 60 Milliarden Euro nur über den Antwerpener Hafen herein- beziehungsweise durch das Land hindurch strömen. Wie viel es wirklich sind, weiß niemand, aber leider ist zu befürchten, dass es sogar noch deutlich mehr sein könnten.
Zu diesen Drogen gehört natürlich vor allem Kokain. Aber auch wenn das Rauschmittel aus Lateinamerika den absoluten Löwenanteil ausmacht, so werden doch auch regelmäßig andere Lieferungen abgefangen, vor allem Cannabis. Aber auch Heroin und synthetische Drogen sind dabei.
Ein großer Anteil der Drogen wird wie gesagt weiter transportiert, aber längst nicht alles. Auch das kleine Belgien hat einen sehr lukrativen Absatzmarkt für die Kriminellen zu bieten. Laut Angaben des Instituts für Volksgesundheit, Sciensano, konsumieren erschreckende sieben Prozent der Bevölkerung regelmäßig Cannabis. Oder anders gesagt: Es gibt jede Menge potenzielle Kunden für ein Produkt, das oft noch nicht mal mehr aus dem Ausland eingeführt werden muss.
Cannabis "Made in Belgium"
Seit rund 15 Jahren sehe man eine einheimische Cannabis-Produktion, so Michaël Dantinne gegenüber der RTBF. Er ist Kriminologe an der Universität Lüttich. Der Anbau von Cannabis sei sowohl in den Städten als auch auf dem Land mittlerweile so stark verbreitet und die Versorgungswege so kurz, dass man wirklich von Cannabis "Made in Belgium" sprechen müsse. Möglich geworden sei das einerseits durch neue technische Möglichkeiten und das notwendige Fachwissen, um die Droge auch im hiesigen Klima erfolgreich kultivieren zu können.
Laut Sciensano konsumieren auch immerhin noch 1,5 Prozent der Belgier regelmäßig Kokain. Das klingt zwar nicht so spektakulär, aber rechnet man das um, so ist auch das ein nicht zu verachtender Markt. Insbesondere, weil gerade beim Kokain die Gewinnmargen enorm hoch sind, selbst zwischen den kleinen Dealern und den Endkunden, insbesondere wenn die Drogen mit anderen Substanzen gestreckt werden.
Vom aktuellen Straßenpreis ausgehend seien selbst im letzten Absatzschritt durchaus Profite von über 100 Prozent drin, so der Kriminologe. Ein höchst verlockendes Geschäft für alle Glieder in der Drogenkette also. Wenig überraschend sind die Dealer also ständig bemüht, ihre Absatzmärkte beziehungsweise ihren Kundenstamm weiter auszubauen.
Dazu nutzen sie auch Strategien, wie man sie aus der ganz normalen Wirtschaft kennt: Sonderangebote und Mengenrabatt etwa. Frei nach dem Motto: Nimm fünf Portionen, dazu eine umsonst. Oder eine "Gratisprobe" einer anderen Droge zum "Testen".
Geldwäsche in Belgien
Ein großer Teil der insgesamt mit dem durch Drogenhandel erwirtschafteten Summen fließt natürlich an die Hintermänner im Ausland. Aber längst nicht alles: Ein Teil des Drogengeldes wird auch hier in Belgien über vollkommen legitim scheinende Strohfirmen und -Geschäfte gewaschen, erklärt der Kriminologe.
Das FÖD Finanzen spricht von jährlich mindestens zwei Milliarden Euro, die auf diese Weise allein aus dem Drogenhandel in den belgischen Wirtschaftskreislauf eingeschleust und so zumindest oberflächlich legalisiert werden.
Boris Schmidt