Ein bisschen zerknittert sah er schon aus, Alexander De Croo, als er 2:40 Uhr im EU-Ratsgebäude im belgischen Presseraum hinter das Mikro ging. Ein bisschen zerknittert, aber auch durchaus gefasst. "Wir haben uns also auf Beschlüsse zur Energie geeinigt. Aus meiner Sicht sind drei Worte wichtig im Text: nämlich 'Entscheidungen', 'dringend' und 'Preiskorridore'."
Schon nach diesen Worten wusste man, dass der Gipfel keinen klaren Erfolg für Belgien gebracht hatte. De Croo zusammen mit 13 anderen europäischen Staaten hatten einen Preisdeckel für Gas in Europa gefordert. Den gibt es immer noch nicht. Warum nicht, kann man leicht erahnen. Denn bereits vor dem Treffen war klar, dass allen voran Deutschland keinen Preisdeckel haben will. 14 EU-Staaten gegen Deutschland - mehr als ein Kompromiss ist da wohl nicht zu erreichen.
Und jetzt steht als Ergebnis das, was De Croo mit den drei Worten umschrieb. Preiskorridore ersetzt dabei das Wort Preisdeckel. Im Verständnis der Gipfel-Abschlusserklärung soll der Preiskorridor ein dynamisches und zeitlich befristetes Element sein, um Gas in Europa bezahlbar zu halten.
Wie genau diese Preiskorridore aussehen und funktionieren sollen, das sollen die EU-Energieminister ausarbeiten. Die treffen sich am nächsten Dienstag in Luxemburg. Und dort soll es dann weiter gehen mit der Arbeit an Preisobergrenzen für Gas in Europa.
De Croo verkaufte das als größten Schritt nach vorne, den die Verhandlungen der vergangenen Nacht gebracht hätten. "Dass wir als EU-Gipfel eine klare Botschaft an die EU-Energieminister senden: Erarbeitet die Details für einen dynamischen Preisdeckel, sorgt dafür, dass der schnell eingeführt werden kann, und sorgt dafür, dass das ein zeitlich begrenzter Mechanismus ist, um die Preise nach unten zu bewegen und sie niedrig zu halten", sagte De Croo am Freitagvormittag im Radio der VRT.
Ob er denn keine Angst hätte, dass auf der Ministertagung wieder alles verzögert werde?, fragte die Moderatorin. Ob wirklich alle Minister ein Interesse daran haben, schnell eine wirklich effektive Lösung zu finden? De Croo gab Einblick in die Diskussionen der vergangenen Nacht: "Wir haben dieselbe Frage gestellt: Ob dieses Verschieben des Dossiers in den Energieministerrat das Ziel hat, wirklich Ergebnisse zu liefern oder alles auf die lange Bank zu schieben."
"Da haben die etwas skeptischen Staaten geantwortet: Vertraut uns. Wir werden mit daran arbeiten. Sonst würden wir das gar nicht angehen. Und ich glaube, in so einem Moment muss man einander vertrauen." Also heißt es weiter abwarten - und vertrauen.
Und dass die EU noch nicht am Ziel ihrer Anstrengungen sei, wirksam gegen die unkontrollierbaren Preise für Energie vorzugehen, gab De Croo von selbst ganz offen zu. Ohne von Journalisten danach gefragt worden zu sein, fragte er sich selbst, ob die EU mit den Gipfel-Ergebnissen am Ziel sei: "Nein, es gibt noch viel zu tun."
Kay Wagner