Neun Schülerinnen sitzen im Klassenraum von Deutschlehrer Klaas De Gruyter an diesem Dienstagmorgen. Die Lehrbücher sind aufgeschlagen. Auf dem Programm heute ein Text über das Verhalten von deutschen Touristen auf Mallorca. Die Schülerinnen gehen in die zwölfte Klasse, lernen im vierten Jahr Deutsch.
Das Lehrbuch schlägt Multiple-Choice-Fragen vor, um das Textverständnis der Mädchen zu prüfen. Lehrer De Gruyter geht die Fragen mit den Schülerinnen durch. Der Text ist ein Originaltext der Deutschen Presse Agentur. Das Niveau ist anspruchsvoll. Die Schülerinnen kennen nicht alle Worte. Ihr Lehrer hilft ihnen beim Verständnis.
Freies Sprechen der Schülerinnen findet kaum statt. Wenn sie gefragt werden, antworten sie meist nur mit wenigen Wörtern. Zum Sprechen bringt Lehrer De Gruyter sie trotzdem. Er lässt sie den Text über Mallorca laut vorlesen.
Und dann ist die Unterrichtsstunde auch schon vorbei. Fast nahtlos geht es in die nächste Stunde über. Schülerinnen und Schüler der elften Jahrgangsstufe betreten den Klassenraum. Sie lernen im dritten Jahr Deutsch. Beim letzten Mal haben sie etwas über die Deutschsprachige Gemeinschaft in Belgien gelernt. Lehrer De Gruyter fragt sie nun ab, was sie davon noch behalten haben.
Bei den Antworten können die Schüler wieder wählen. Wer richtig liegt, bekommt Punkte. Zusätzliche Punkte bekommt man, wenn man möglichst schnell antwortet. Der Klassenraum ist mit moderner Technik ausgestattet. Auf einer Leinwand, die anstelle der Tafel im Rücken von De Gruyter hängt, werden die jeweiligen Ergebnisse an die Wand geworfen. Am Ende gibt es Applaus für das Mädchen, das gewonnen hat.
Grammatik
Im zweiten Teil des Unterrichts geht es um Grammatik. Es geht um Dativ oder Akkusativ, um die richtigen Endungen von Wörtern. Lehrer De Gruyter erklärt noch einmal die Regeln. Dann wird geübt. Zunächst mit einem vorgegebenen Text, in dem Endungen ergänzt werden müssen. Dann in Form eines Frage- und Antwortspiels.
Im Lehrbuch ist eine Seite mit vielen verschiedenen Gesichtern abgedruckt. Ein Schüler muss sich ein Gesicht aussuchen, und die anderen Schüler müssen durch Fragen versuchen, das Gesicht zu finden, das sich der erste Schüler ausgesucht hat. Diese Übung macht De Gruyter zunächst einmal gemeinsam mit der Klasse. Danach sollen die Schüler in Gruppenarbeit selbst ihr Deutsch praktizieren.
Das Frage- und Antwortspiel geht eher schleppend, aber macht den Schülern durchaus Spaß. Kurz vor Ende der Stunde möchte De Gruyter mit den Schülern noch etwas Neues anfangen, aber da ertönt schon wieder die Klingel. Die Stunde ist vorbei.
Klaas De Gruyter ist in Ostende Lehrer für Deutsch und Niederländisch. Er könnte aber auch dem ein oder anderen in der Deutschsprachigen Gemeinschaft bekannt sein, denn mit einer seiner Deutschklassen hatte De Gruyter im vergangenen Schuljahr das César-Franck-Athenäum in Kelmis besucht.
Warum er sich überhaupt dazu entschieden hat, Deutschlehrer zu werden? "Das weiß ich selbst nicht so genau", antwortete De Gruyter spontan. Sein Vater habe bei Siemens gearbeitet, mit seinen Eltern sei er als Kind zwei Mal in Deutschland gewesen, sein erstes internationales Radrennen sei er in Österreich gefahren. Vielleicht sei es ein Mix aus alledem, was dazu geführt habe, dass er sich beim Studium für das Fach Deutsch entschieden habe.
Deutsch als Fach habe es nicht unbedingt leicht an seiner Schule. "Aber es ist auch nicht so, dass alle ein negatives Bild haben", sagt De Gruyter. Im vergangenen Jahr hätten sie an der Schule unter den Schülern der elften Klasse eine Umfrage gemacht, bei der herausgekommen sei, dass rund die Hälfte aller Schüler ein ganz positives Bild der deutschen Sprache habe.
Wissen über die Deutschsprachige Gemeinschaft
Eine Motivation der Schüler, Deutsch als Fach zu belegen, sei, dass die deutsche Sprache wichtig für die Wirtschaft sei und Deutschland eben ein wichtiger Wirtschaftspartner von Belgien sei. In Ostende könne man zudem oft deutsche Touristen treffen. Auch hier biete sich eine Möglichkeit, mit der deutschen Sprache etwas anzufangen.
Dabei ist es De Gruyter wichtig, beim Erlernen der deutschen Sprache nicht nur über Deutschland zu sprechen, sondern auch über die anderen Länder, in denen Deutsch gesprochen wird – und auch die Deutschsprachige Gemeinschaft. In dem von ihm mit-konzipierten Deutschbuch gibt es ein paar Seiten, auf denen Wissen über die Deutschsprachige Gemeinschaft vermittelt wird.
Ruf der Sprache
Dass rund die Hälfte der Schüler Deutsch kein so gutes Fach finden, liege an dem Ruf der Sprache als eine schwere Sprache. Dabei würden gerade die Fälle bei der Grammatik die Schwierigkeit darstellen.
Immerhin bliebe die Zahl der Schüler, die Deutsch an seiner Schule lernen, relativ konstant. Jedes Jahr käme man auf etwa 90 Schüler, die Deutsch lernen würden – von mittlerweile 1.400 Schülern, die insgesamt an der Schule sind. In Flandern allgemein sei der Trend jedoch eher rückläufig. Was man tun könnte, um diesen Trend umzukehren? "Auch mal betonen, dass Deutsch auch Spaß machen kann", antwortet De Gruyter spontan.
Da seien auch die Lehrer in der Pflicht, die Vorstellung von Deutsch als schwierige Sprache zu ändern. Auch sei es hilfreich, die Schüler erfahren zu lassen, was man mit Deutsch alles machen könne – zum Beispiel durch Austauschprogramme oder der Teilnahme an Wettbewerben, bei denen es um die deutsche Sprache geht.
Kay Wagner
Toll! Gratuliere.
Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod.
"Die Schülerinnen kennen nicht alle 'Worte'." ... nicht alle WÖRTER.
Gerne helfe ich Deutschlernenden vor Ort in Oostende, wo ich meine Zweitwohnung habe.
Herr Pape, Sie bringen mich auf eine gute Idee.
Deutschunterricht von uns aus der DG an einer Etterdagsskole in Flandern wo Erwachsene und Kinder freiwillig nachmittags oder abends unsere Muttersprache lernen wollen. Optional zu Beginn gerne als ehrenamtlich falls man keine Anstellung auf die Schnelle findet und nach einem erfolgreichen Unterrichtsjahr nochmal eine Anfrage an potentielle Schulen auf einen bezahlten Vertrag.
Schönes Beispiel vom guten Deutschunterricht in Belgien.