Beim Treffen der EU-Staats- und Regierungschefs in Versailles im März seien drei Länder überzeugt gewesen, als Belgien eine Deckelung der Gaspreise vorgeschlagen habe, erinnerte Premierminister Alexander De Croo am Freitagmorgen bei seiner Ankunft zum informellen Prager Treffen. Aktuell seien es 23 oder 24 von den 27 Mitgliedsstaaten. Es sei viel Arbeit in die Überzeugung aller gesteckt worden. Er hoffe, dass am Freitag vielleicht die letzten Hindernisse aus dem Weg geräumt werden könnten.
Nachdem inzwischen auch die EU-Kommission zumindest prinzipiell ihren Widerstand aufgegeben hat, hakt es vor allem noch an Dänemark, den Niederlanden und Deutschland. Zumindest was eine Umstimmung von Bundeskanzler Scholz angeht, zeigte sich der belgische Premier im Vorfeld in der VRT nicht überoptimistisch. Das werde man sehen müssen, so De Croo.
Aber Belgien beharrt auch nicht darauf - zumindest nicht für Freitag -, dass wirklich schon eine Entscheidung zugunsten einer Gaspreis-Deckelung fällt. Wichtig sei vor allem eines, betonte der Premier wieder und wieder: Es gehe am Freitag darum, zu zeigen, dass die 27 EU-Staaten bereit seien, gemeinsam zu handeln gegen die hohen Preise. Sei man sich erst einmal darüber einig, dann könne man zum nächsten, technischen Schritt übergehen: der Diskussion darüber, mit welchen Maßnahmen das geschehen soll.
Signal an Wirtschaft und Bevölkerung
Mit der Bereitschaft, kollektiv in die Energiepreise einzugreifen, sende man nämlich gleich mehrere Signale aus, so der Premier: Man mache den Märkten klar, dass Europa nicht länger bereit sei, sich der teilweisen Manipulation der Gaspreise zu beugen und die unfairen Aufschläge zu bezahlen. Den Bürgern und der Wirtschaft zeige eine solche Entscheidung hingegen gleich zwei Dinge: Einerseits, dass die EU auch in schwierigen Zeiten zusammenhalten könne. Andererseits, dass man bereit sei, das Problem an der Wurzel anzupacken.
Das bedeute nicht nur, in die Märkte einzugreifen, sondern auch, dass nicht alles über staatliche Unterstützungszahlungen gelöst werden könne, denn auch diese müssten irgendwann zurückgezahlt werden. Es tue ihm weh, zuzuschauen, wie der hart erarbeitete Wohlstand Europas in Form von Subsidien für Energie Monat für Monat nach Russland fließe.
Solidarität wichtig
Auf europäischer Ebene sei bei der Bekämpfung der Energiekrise natürlich auch die Solidarität wichtig. Das bedeute, dass Mitgliedsstaaten, die abhängiger von russischem Gas seien als andere, nicht allein gelassen würden, wenn Moskau das Gas abdrehe. Aber es bedeute auch, dass gemeinsame Anstrengungen für eine Senkung des Energieverbrauchs notwendig seien.
In puncto "Solidarität" stand Deutschland schon öfter in der Kritik, zuletzt auch wegen des umfangreichen Energie-Unterstützungspakets für seine Bürger und die Wirtschaft. Auch wenn andere Staaten Haushalte und Betriebe unterstützten, so drohe die deutsche Maßnahme doch zu einem Wettbewerbsvorteil für die Bundesrepublik zu werden, räumte De Croo ein. Aber wenn man gemeinsam in den Markt eingreife, habe man dieses Problem nicht, weil die großen Unterstützungspakete dann ab einem gewissen Zeitpunkt nicht mehr nötig seien.
Er habe mit Kanzler Scholz auch darüber gesprochen, dass es jetzt zwar auch um Geld und die Wirtschaft gehe, aber eben auch um Sicherheit. Denn Rezession und hoher Preisdruck seien schlecht für Stabilität und Sicherheit in Europa. "Jeder für sich" sei eine sehr ineffiziente Methode, so De Croo. Kein einziges Land könne mit dieser Krise im Alleingang fertig werden - auch Deutschland nicht.
Boris Schmidt