Was allerdings die praktische Umsetzung dieser Überlegung angeht, so gilt dies als äußerst unwahrscheinlich. Eine neue Wehrpflicht würde heute auch anders aussehen als früher, obwohl niemand weiß, wie. Die meisten Länder, die dies in Erwägung ziehen, orientieren sich am schwedischen Modell. Das bedeutet: Alle werden einberufen, aber dann gibt es eine Auswahl. Nur die wirklich motivierten Männer und Frauen kommen weiter. Sie erhalten eine militärische Grundausbildung, die etwa ein Jahr dauert.
In den letzten Jahren war sogar die belgische Armeeführung selbst von der Idee, den Wehrdienst wieder einzuführen, nicht sehr angetan. "Eine moderne Armee braucht vor allem gut ausgebildete und hochqualifizierte Menschen", hieß es seinerzeit. Admiral Hofman, der ranghöchste Militär der belgischen Armee, sagt auch selbst, dass sich so etwas nicht gleich morgen umsetzen ließe. Für die Ausbildung von Wehrpflichtigen werden Budgets, Ausrüstung und Menschen benötigt.
Verteidigungsministerin lehnt Vorschlag von Armeechef kategorisch ab
Nach Ansicht von Verteidigungsminister Ludivine Dedonder ist die Idee auch schlichtweg indiskutabel. Unsere Armee sei derzeit einfach nicht in der Lage, plötzlich wieder Zehntausende von Milizionären unterzubringen.
Auch die Grünen und die flämischen Sozialisten lehnen die Wehrpflicht ab. "Die allgemeine Wehrpflicht ist ineffizient und sehr teuer", sagte der Vooruit-Abgeordnete Kris Verduyckt. Der Vlaams Belang ist eigentlich die einzige Partei, die für einen allgemeinen verpflichtenden Militärdienst ist.
N-VA und MR sind nicht grundsätzlich dagegen, aber wie CD&V und Open VLD denken sie eher an ein Art Zivildienst. Ob dieser nun obligatorisch oder freiwillig sein soll, ist nicht ganz klar. Theo Francken von der N-VA spricht sich aber ganz und gar für einen obligatorischen Zivildienst aus. "Auf diese Weise schafft man eine Gesellschaft, die nicht egoistisch oder individualistisch ist", so Francken.
Diskussion über Wehrpflicht ist in anderen europäischen Ländern voll im Gange
Angesichts der wachsenden russischen Bedrohung ist die Debatte über die Wehrpflicht in anderen europäischen Ländern wieder voll entbrannt. Vor allem in den baltischen Staaten und Polen wächst die Nervosität. Mehr als die Hälfte der Polen würde die Wiedereinführung der Wehrpflicht befürworten.
In Lettland soll sie ab 2023 für Männer zwischen 18 und 27 Jahren wieder eingeführt werden. Das benachbarte Litauen hat dies bereits 2015 nach der Annexion der Krim durch Russland getan, ebenso wie Schweden im Jahr 2017 - übrigens sowohl für Männer als auch für Frauen.
In Finnland, das eine mehr als 1.000 Kilometer lange Grenze mit Russland hat, wurde die Wehrpflicht seit dem Kalten Krieg nie abgeschafft. Sie gilt dort auch für Frauen und dauert sechs Monate.
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