Endlich bewegt sich doch mal was. In den letzten Tagen und Wochen war der Ruf nach entschlossenen Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise nämlich immer lauter geworden. In Belgien hatten die Regierungen immer wieder auf Europa verwiesen: Man wolle erst abwarten, was auf der EU-Ebene beschlossen würde, um dann entsprechend Maßnahmen zu ergreifen, um die hohen Energiepreise abzufedern.
Am vergangenen Freitag nun haben die Energieminister der 27 EU-Staaten eine Reihe von Maßnahmen beschlossen. Und die föderale Energieministerin Tinne Van der Straeten hat sich offensichtlich gleich im Anschluss an die Hausaufgaben gemacht. Das Ergebnis steht am Montag auf den Titelseiten mehrerer Zeitungen.
Aber nochmals fürs Protokoll, sagte Van der Straetens Parteikollegin, die Groen-Vizepremierministerin Petra De Sutter am Montagmorgen in der VRT: Bislang fehlte eben noch ein EU-Rechtsrahmen. Seit Freitag gibt es den. Und das macht jetzt Einiges möglich.
Übergewinne abschöpfen
Wichtigster Beschluss der EU-Energieminister: Es wird den Staaten ermöglicht, die Übergewinne von Stromkonzernen abzuschöpfen. Übergewinne, das betrifft - grob gesagt - die Einkünfte, mit denen niemand rechnen konnte. Beispiel die Produzenten von erneuerbaren Energien oder von Atomstrom: Deren Kosten sind im Wesentlichen unverändert geblieben. Weil der Strompreis am Gaspreis hängt, bekommen die aber plötzlich ein Vielfaches mehr für ihren Strom. Und eben diese "Zufallsgewinne", die sollen abgeschöpft werden.
Die EU legt da einen Richtwert vor: Alles, was über 180 Euro je Megawattstunde liegt, kann zu 100 Prozent besteuert werden; was nichts anders heißt, als dass die Staaten diese Gewinne komplett einsacken. Unter der Voraussetzung eben, dass die betreffenden Unternehmen ihren Strom billiger produziert haben.
"Wir haben die Schwelle niedriger angesetzt", sagte Petra De Sutter, die für die Energieministerin spricht. Die EU erlaube einen solchen Schritt, gebe den Staaten da freie Hand. Und Tinne Van der Straeten schlage vor, dass Übergewinne ab 130 Euro je Megawattstunde abgeschöpft werden sollen.
Man könnte diese Besteuerungsschwelle noch weiter absenken, sagt De Sutter. Nur laufe man dann Gefahr, dass man dadurch Investitionen abwürge; oder, dass man den Unternehmen dann tatsächlich auch die Gewinne abnimmt, die sie in Normalzeiten eingefahren hätten.
Diese Übergewinnsteuer gilt für das ganze Jahr 2022, also nicht erst ab Inkrafttreten der entsprechenden Bestimmung. Und deshalb könne man den Ertrag für das laufende Jahr auch ziemlich genau beziffern, sagt Petra De Sutter.
Weitere Pfeile im Köcher
Aber, bevor man eine Zahl draufsetzt, muss man wissen, dass die Energieministerin noch andere Pfeile in ihrem Köcher hat. Hinzu käme dann nämlich noch die Atomabgabe, die die Kernkraftwerksbetreiber ohnehin zu leisten haben. Und geplant sei auch noch eine Krisenabgabe für Ölkonzerne. Hier schlägt die Energieministerin 1,5 Cent je Liter vor. "Aber Vorsicht! Nur zur Verdeutlichung", sagt Petra De Sutter: Diese Abgabe müssten nicht die Tankstellenbetreiber leisten; auch nicht die Großhändler; hier gehe es nur um die Ölkonzerne, die im Übrigen diese Steuer nicht an die Kunden weiterreichen dürften. Der Erlös belaufe sich auf 600 Millionen Euro.
Rechnet man all diese Übergewinnsteuern bzw. Abgaben zusammen, dann beläuft sich der Ertrag für das laufende Jahr auf 1,8 Milliarden Euro. Im kommenden Jahr rechnet man mit rund 2,9 Milliarden. Macht zusammen 4,7 Milliarden. Die Regierung muss den Vorschlag allerdings erst noch gutheißen.
Dieses Geld müsse jedenfalls an die Verbraucher zurückfließen, sprich an die Haushalte bzw. die Unternehmen. So stehe es ausdrücklich in der entsprechenden EU-Bestimmung, betont Petra De Sutter. Wie und in welcher Form dieses Geld an die Verbraucher zurückfließen wird, das ist noch nicht entschieden. Erstmal muss die Finanzierung stehen, geht es also darum, die Steuern und Abgaben festzuklopfen.
Roger Pint
Der Anfang ist gemacht. Besser wäre es, die absurden Regeln auf dem Strommarkt zu ändern.
Die Politik, und wohl auch die Medien, haben noch immer nicht verstanden dass man dieses Problem nicht mit Geld lösen kann. Es fehlt Kraftwerksleistung und es fehlt Erdgas. Der explodierende Preis ist nur der Indikator für den physischen Mangel. Dadurch dass man die Energierechnung durch neue Staatsschulden bezahlt, löst man das Problem aber nicht. Man kauft sich damit nur Zeit. Belgien steht noch relativ gut da, unsere KKW stehen noch, wir sind ein Gas-Transit Land und können unseren Bedarf weiterhin decken. Die explodierenden Preis an den Energiemärkten in Europa treffen uns aber trotzdem. Deutschland steht hingegen nach der Sprengung der Gasleitungen in der Ostsee vor dem Abgrund. Wenn das Primat der Politik weiter „Klimarettung“ heißt, dann verpuffen diese Milliarden wie ein Strohfeuer. Die Energiekrise holt uns in die Realität zurück und das scheinen viele noch nicht realisiert zu haben.
Eine Übergewinnstreuer für die Stromkonzerne macht schon Sinn: Es kann ja nicht angehen, dass gegenwärtig wegen des Merit-Order-Prinzips klimaschädliche Kohlekraftwerke riesige Gewinne einfahren.
Ich stimme Ihnen, Herr Pesch, aber insofern zu, dass das Angebot an Erdgas unbedingt erhöht werden sollte, um den Preis zu senken.
Eigentlich wäre eine Übergewinnsteuer oder zumindest eine preisliche Obergrenze für die weltweit agierenden Gaskonzerne sinnvoll, so wie von einigen EU-Ländern gefordert, nur hätte dies zufolge, dass die LNG-Tanker dann nicht mehr in Richtung Europa fahren, sondern Japan, Korea und andere asiatische Länder ansteuern, die bereit wären, höhere Beträge zu zahlen. Der Gasmangel bei uns würde dann nur noch größer werden. Wir stehen halt in Konkurrenz mit Asien.
Es gibt wohl keine einfache Lösung für dieses gravierende Problem.