Wie immer, wenn die Kammerabgeordneten zu ihrer ersten Plenarsitzung nach der Sommerpause zusammenkommen, müssen erst diverse Formalitäten abgehakt werden. Beispielsweise nachrückende Parlamentarier, in diesem Fall etwa, dass Mathieu Bihet für die MR Kattrin Jadin ersetzen wird.
Eine weitere erwähnenswerte MR-Personalie gab es auch noch: die Rückkehr von Sophie Wilmès auf die politische Bühne als MR-Abgeordnete. Die Politikerin hatte im Juli ihr Amt als Außenministerin niedergelegt aus familiären Gründen.
Dann folgte ein kurzes Gedenken an die verstorbene britische Monarchin Elizabeth II. Aber kurz darauf wurden dann die schon längst bereitliegenden gewetzten Klauen und Messer gegeneinander herausgeholt.
Schon als es um Änderungen an der Tagesordnung ging, sorgte die linksextreme PTB für so lautstarken Aufruhr, dass Parlamentspräsidentin Eliane Tillieux sie mehrfach und nachdrücklich zur Ordnung rufen musste. Ein Verhalten, das sich auch in der anschließenden Fragestunde konsequent fortsetzte.
Der PTB-Vorsitzende Raoul Hedebouw nahm dabei insbesondere den engsten Konkurrenten im linken frankophonen Spektrum, die PS, gnadenlos ins Visier, nicht zuletzt auch im Rahmen des immer heißer werdenden Sozialkonflikts.
Der rechtsextreme Vlaams Belang schoss derweil wie üblich auf die Regierung im Allgemeinen und die flämischen Parteien in ihr im Speziellen, so wie natürlich auch die auf föderaler Ebene oppositionelle N-VA.
Was insbesondere bei den Fragen rund um die Kaufkraft der Bürger und die Verteilung der sogenannten Wohlfahrtsmittel aber auch auffiel, war, dass sich die Koalitionspartner der Vivaldi durchaus auch untereinander beharkten. Während die Sozialisten vor allem auf die Interessen der Arbeitnehmer und besonders Bedürftigen pochten, betonten die flämischen Liberalen Open VLD immer wieder, dass Maßnahmen aber nicht zu Lasten der Wirtschaft und der Wettbewerbsfähigkeit gehen dürften.
Premierminister Alexander De Croo selbst befindet sich zurzeit in New York, wegen der Generalversammlung der Vereinten Nationen. Den Hauptblitzableiter musste also zunächst einmal PS-Vizepremier und Arbeits- und Wirtschaftsminister Pierre-Yves Dermagne geben. Er musste sich unter anderem anhören, dass Belgien nur herumsitze und nichts tue, außer auf die EU zu warten, während andere Länder selbst agierten.
Wann seien denn endlich strukturelle Maßnahmen gegen die hohen Energiepreise zu erwarten?, ätzte etwa Barbara Pas vom Vlaams Belang. Ein anderer Vorwurf lautete: Die Regierung stecke doch mit den Energiekonzernen, namentlich mit Engie-Electrabel, unter einer Decke und wolle deswegen deren Profite nicht abschöpfen. Oder dass mal wieder nur die arbeitende Bevölkerung geschröpft werde.
Dermagne zählte zur Verteidigung der Föderalregierung die bereits ergriffenen Maßnahmen zur Entlastung von Bevölkerung und Wirtschaft auf, sowie die schon seit vielen Monaten dauernden Bemühungen Belgiens um einen europäischen Preisdeckel und die Abschöpfung von Übergewinnen. Und diese Anstrengungen werde die Regierung auch fortsetzen. Man sehe auf europäischer Ebene Bewegung, er hoffe, dass in den nächsten Tagen diese essenzielle Preisdeckelung kommen werde. Und Belgien werde bei der Besteuerung der Übergewinne notfalls auch national agieren.
Was einen anderen Vorwurf Hedebouws betrifft, nahm Dermagne auch kein Blatt vor den Mund: Es sei eine dreiste Lüge, dass es ein geheimes Abkommen zwischen Engie und der Regierung gebe. Dermagne versuchte, den Linksextremen auch in puncto Sozialkonflikt den Wind aus den Segeln zu nehmen. Man habe die Botschaft der tausenden demonstrierenden Arbeitnehmer am Mittwoch in Brüssel gehört und verstanden, so Dermagne, der dann auf die letzte Woche beschlossenen zusätzlichen Energiemaßnahmen verwies.
Was die Nicht-Einigung der Sozialpartner über die Verteilung der Wohlfahrtsmittel betrifft, so kündigte Dermagne für die nächste Woche auch noch ein Treffen mit der sogenannten Zehnergruppe an. Er sei überzeugt, dass dem sozialen Dialog zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften noch eine Chance gegeben werden müsse, so der PS-Vizepremier. Sollte dies aber nicht kurzfristig gelingen, dann werde die Regierung, wie gesetzlich vorgesehen, einen Vorschlag zur Verteilung dieser Mittel machen.
Boris Schmidt