Energiekrise und kein Ende. Zwei Fragen beherrschen nach wie vor die Debatte. Erste Frage: Wie kann man die Energierechnung der Bürger und Unternehmen abmildern? Die Föderalregierung hatte am Freitag ihren Teil der Antwort geliefert. Premierminister Alexander De Croo fasste am Freitag die wohl sichtbarste Maßnahme zusammen: Menschen mit Strom- oder Gasanschluss bekommen für 2022 eine Unterstützung in Höhe von 400 Euro, sagt De Croo.
In den Genuss dieses Basispakets kommt aber nicht automatisch jeder Haushalt. Grob zusammengefasst: Erstmal gilt das nur für Privatkunden mit einem variablen Energievertrag beziehungsweise deren feste Verträge zum 1. Oktober 2021 abgeschlossen oder verlängert worden sind.
Und auch für das Einkommen gelten Obergrenzen: Für Alleinstehende darf das jährliche Netto-Einkommen 62.000 Euro nicht überschreiten, für Paare sind es 125.000. Wer darüber liegt, für den wird diese Zulage als steuerpflichtiger Vorteil betrachtet.
Weitere Maßnahmen
400 Euro sei für die meisten Haushalte ein Tropfen auf dem heißen Stein, sagen Kritiker. Nun, das sei ja auch nur ein erster Schritt, betonte die Groen-Vizepremierministerin Petra De Sutter in der VRT. Die Maßnahmen gelten zunächst bis Ende des Jahres. Und in der Zwischenzeit werde man vor allem abwarten, was auf der EU-Ebene geschieht.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte ja am vergangenen Mittwoch erstmal vorgeschlagen, die Übergewinne der Energiekonzerne abzuschöpfen. Der Erlös soll an die Mitgliedstaaten fließen. Und dann steht ja auch noch ein Gaspreisdeckel im Raum.
"Wenn das Geld einmal fließt, bzw. wenn die Preise erstmal runtergehen, dann wissen wir, über welche neuen haushaltspolitischen Spielräume wir verfügen", sagt De Sutter. "Und dann kann man - je nach Bedarf - noch nachlegen. Aber, wenn es nötig ist, den Menschen weiter unter die Arme zu greifen, dann werden wir das tun - versprochen."
Zweites Problem: Versorgungssicherheit
Die zweite Frage, die im Moment die Regierungen beschäftigt, das ist die nach der Versorgungssicherheit bzw. der Energie-Unabhängigkeit. Mitte der vergangenen Woche hatte die föderale Innenministerin Annelies Verlinden verlauten lassen, dass sie die Atomaufsichtsbehörde FANK angewiesen habe zu prüfen, ob die Stilllegung des Reaktorblocks Doel 3 ausgesetzt werden kann.
Der Meiler soll Ende der Woche vom Netz gehen. Endgültig, zumindest will es so das Gesetz, das den Atomausstieg regelt. Eigentlich war geplant, dass dann auch erste Schritte zur definitiven Stilllegung eingeleitet werden.
Genau diesen Prozess wollte Verlinden auf Eis legen. Um zu vermeiden, dass jetzt "unwiderrufliche Schritte" unternommen würden, die die Anlage unbrauchbar machten, begründete sie in der VRT ihren Vorstoß. Angesichts der aktuellen Sorgen über die Versorgungssicherheit wolle sie vermeiden, dass man eine Option endgültig aus den Händen gibt.
De Croo verärgert
In besagtem Interview hatte Verlinden am Donnerstag - unter Vorbehalt - angedeutet, dass die FANK "theoretisch" kein Problem darin sehe, diesen Prozess der endgültigen Stilllegung auszusetzen. Dem widersprach die FANK allerdings später vehement.
Davon abgesehen wurde Verlinden aber auch von Premierminister Alexander De Croo höchstpersönlich verärgert zurückgepfiffen. Verlinden habe mit ihrem Vorstoß dafür gesorgt, dass die Regierung herüberkomme wie eine Bande Amateure.
Petra De Sutter blieb ihrerseits diplomatisch. Sie könne sich nur wundern, sagte die grüne Vizepremierministerin in der VRT. Denn, gleich wie es kommt: Doel 3 helfe uns nicht im Hier und Jetzt, sondern, wenn überhaupt, dann in drei, vier Jahren.
Davon abgesehen: Verlinden habe ihren Schritt nicht mit der Regierung abgesprochen. Sie habe dann auch noch etwas vorschnell kommuniziert. Aber, gut, sie sei ja zurückgepfiffen worden. "Hoffentlich ist ihr das eine Lehre."
Roger Pint