Die Weinkooperative Vin de Liège im Norden von Lüttich zwischen Oupeye und Bassenge ist so ein Beispiel. Hier hat am Dienstag schon die Weinlese für dieses Jahr begonnen. Früher als üblich. Weinlesen im August ist eine Seltenheit. Normalerweise sind die Trauben frühestens im September reif. Dann haben sie durch Wärme und Sonnenlicht genug Zucker gebildet, um bei der Gärung den gewünschten Alkoholgehalt für Wein zu produzieren.
Bei der Kooperative Vin de Liège hat trotzdem jetzt schon die Weinlese begonnen. Rund 40 Personen sind zurzeit in den Reben aktiv. "Das erste Mal, dass wir so früh damit beginnen", sagt Alec Bol. Er ist stellvertretender Geschäftsführer der Kooperative. 2011 wurde sie gegründet, bestand damals aus zwölf Hektar Rebfläche. Mittlerweile sind daraus 17 Hektar geworden. Am Dienstag soll ein Hektar der Rebsorte Solaris gepflückt werden, erzählt Bol im Radio der RTBF. "Diese Rebsorte wird früh reif, und wir planen, rund 4.000 Liter Saft zu ernten."
Genug Zucker
Doch auch wenn die Rebsorte Solaris eher zu den frühreifen Trauben gehört, geplant war es nicht, sie schon im August zu pflücken. Laut Bol muss das aber jetzt passieren: "Wir haben einen Solaris, der schon sehr reif ist", sagt er, "denn die Trauben zeigen schon ein Potential von ungefähr 13 Prozent Alkohol an. Was bedeutet, dass wir nicht länger warten können. Dafür ist schon zu viel Zucker in den Trauben."
Grund für den hohen Zuckergehalt in den Trauben und den frühen Erntetermin ist der heiße und trockene Sommer in diesem Jahr. Wenn die Trauben in der Regel Anfang Juni anfangen zu wachsen, sind Sonne und Wärme das, was sie am meisten brauchen. Auch in Italien und Frankreich sind deshalb die ersten Trauben jetzt auch schon reif. Auch dort hat die Weinlese bereits begonnen, viel früher als üblich.
Paradies für Winzer
Wenn also an vielen Fronten dieses Jahr über die hohen Temperaturen und den geringen Niederschlag im Sommer geklagt wird - die Winzer in Belgien schlagen andere Töne an. Das sei dieses Jahr ähnlich wie 2018, sagt Bol. Das sind Jahre, die so ein bisschen das Paradies für Winzer seien.
Die Aussicht auf eine wahrscheinlich gute und üppige Ernte dieses Jahr kommt den Winzern gerade gelegen. Denn vergangenes Jahr war genau das Gegenteil der Fall. "2021 war wirklich ein schreckliches Jahr für uns", erzählt Bol, "weil es fast den ganzen Sommer über geregnet hat. Deshalb fand die Weinlese auch sehr viel später statt. Das gesamte Jahr war schwierig, wir haben nur wenig Wein produzieren können."
Etwa 50.000 Liter Wein füllte die Kooperative im vergangenen Jahr ab. Dieses Jahr rechnet sie mit dreimal so viel. Wenn alles so weiter läuft wie geplant, bleibt dieses Jahr ein Paradies für Winzer.
Kay Wagner