Fast fährt man als Autofahrer wieder gerne an die Tankstelle. Nach Wochen, ja Monaten der hohen Preise, die zeitweilig zum Teil deutlich über zwei Euro pro Liter Benzin oder Diesel lagen, sind es jetzt Preise um 1,80, 1,70 und manchmal sogar schon darunter.
Das ist immer noch viel Geld und so ganz scheint es nicht verständlich, warum die Preise in den vergangenen Wochen wieder etwas gesunken sind. Denn der Krieg in der Ukraine, der Ende Februar für die enorme Preisexplosion an den Zapfsäulen verantwortlich gemacht wurde, ist ja immer noch im Gange. Ist der Öffentlichkeit damals nur irgendetwas vorgemacht worden?
Nein, sagt Olivier Neirynck am Freitagvormittag im Radio der RTBF. Er ist technischer Direktor bei Brafco, dem belgischen Verband der Händler von Kraft- und Brennstoffen. Zu Beginn des Krieges habe die Angst der Unternehmen vor einem Boykott des russischen Öls durch die EU die Preise nach oben getrieben.
Mittlerweile hätten die Unternehmen Alternativen für russisches Öl gefunden. Sei es in Norwegen, in den Arabischen Emiraten. "Wir hoffen auch, dass bald Erdöl aus dem Iran zur Verfügung stehen könnte", sagt Neirynck. Und das alles habe die Preise jetzt wieder langsam fallen lassen.
Schwächere Nachfrage
Ein weiteres Element, das jetzt für niedrigere Preise an der Zapfsäule führe, sei die schwächere Nachfrage nach Öl, weil die Belebung der Wirtschaft nach der Corona-Krise nicht so schnell verlaufe, wie von einigen vorhergesagt.
Die Nachfrage sei zurzeit relativ gering. Was auch an den Sommermonaten generell liegen würde. Wenn im Oktober oder November die Wirtschaft wieder so richtig in Schwung kommen sollte, könnte auch das wieder für höhere Preise an den Tankstellen sorgen, sagt Olivier Neirynck.
Geopolitische Lage
Auch geopolitische Spannungen könnten den Ölpreis wieder in die Höhe treiben. Geopolitische Spannungen, wie zum Beispiel das Säbelrasseln von China vor der Küste von Taiwan.
Doch ohne solche Spannung werde der Markt jetzt eine Stabilität wiederfinden, die derjenigen von vor zwei, drei Jahren gleichen wird, sagt Neirynck voraus. "Dann", so fügt er hinzu, "werden wir wieder vernünftige Preise von um die 1,60/1,70 Euro für Benzin und Diesel haben."
An dauerhafte Preise, die deutlich unter diesem Niveau von 1,60/1,70 Euro pro Liter liegen werden, glaubt Neirynck nicht. Außerdem erinnert er daran, dass die Politik auch einen Beitrag dazu leistet, dass die Preise gerade wieder erträglich werden für die Autofahrer.
Maßnahmen der Regierung
Der Experte sagt: "Der Preis von 1,77 Euro für einen Liter Benzin ist auch deshalb heute möglich, weil die Regierung am 19. März die Akzisen für Benzin und Diesel in Höhe von 17,5 Cent gesenkt hat."
Wenn die 17,5 Cent pro Liter wieder auf den Benzin- und Dieselpreis draufkommen, dann wäre man, Stand heute, auch wieder in Reichweite der Zwei-Euro-Marke.
Entspannung zurzeit an den Zapfsäulen also: Ja. Aber ob das dauerhaft wirklich so bleiben wird, kann niemand mit genauer Sicherheit sagen.
Kay Wagner