Viele von ihnen hatten seit der vergangenen Woche vor dem Gebäude auf der Straße übernachtet. Und einige mussten auch am Montag wieder vertröstet werden. Menschenrechtsorganisationen warnen schon seit einiger Zeit vor einer drohenden Überlastung der Dienste.
"Gestern hab' ich hier geschlafen, heute Abend werde ich auch wieder hier schlafen. Das geht doch nicht!" Verzweiflung macht sich breit bei vielen Flüchtlingen. Vier Tage lang war das Anmeldezentrum am Petit Château geschlossen. Wegen des Nationalfeiertages war es ja ein langes Wochenende. Und viele der Asylbewerber wussten nicht wohin, irrten durch das Viertel und warteten darauf, dass die Schalter endlich wieder öffneten. Ich bin seit fünf Tagen hier und ich schlafe auf der Straße, sagt eine Frau mit einem Kind auf dem Arm in eine VRT-Kamera.
Frauen und Kinder zuerst
Immerhin wurden eben solche Menschen am Montagmorgen vorrangig behandelt. Erst kamen die unbegleiteten Minderjährigen an die Reihe, danach die Familien, bzw. Mütter mit Kindern. Doch dann, nach nur anderthalb Stunden, musste das Anmeldezentrum schon wieder schließen. Für heute waren die Kapazitäten ausgeschöpft. 160 alleinstehende Männer mussten erst einmal wieder vertröstet werden. Hier gibt es keinen Platz zum Schlafen, keine medizinische Versorgung, nichts zu essen, beklagte einer von ihnen in der VRT. "Ich komme morgen wieder und bleibe heute Abend wieder hier", sagt ein anderer.
Das ist eigentlich kein Zustand, räumte in der RTBF die Direktorin des Anmeldezentrums, Nathalie Plumat, ein. Jeden Tag stehen nur um die 40 Plätze in Unterkünften zur Verfügung. "Wir können schlichtweg nicht allen Asylbewerbern ein Dach über dem Kopf anbieten. In einer solchen Situation können wir uns lediglich für das kleinere Übel entscheiden."
Mehr Auffangplätze
Politisch zuständig ist erst seit einigen Wochen die neue Staatssekretärin für Asyl und Migration, die CD&V-Politikerin Nicole de Moor. "Die Lage sei in der Tat kritisch", räumte de Moor in der VRT ein. Genau deshalb habe die Regierung ja auch kürzlich noch ein Maßnahmenpaket auf den Weg gebracht. Darin enthalten seien auch Notunterkünfte. In Berlaar, nördlich von Brüssel, würden aktuell 750 neue Plätze geschaffen. Das Zentrum in einer ehemaligen Armeekaserne werde Anfang August eröffnet.
"Zu wenig, zu spät", beklagen dennoch Menschenrechtsorganisationen. "Wir haben schon in der vergangenen Woche davor gewarnt, dass sich die Lage um den Nationalfeiertag zuspitzen würde", sagte Thomas Willekens vom Flüchtlingshilfswerk Flandern. Getan habe sich nichts. Und hier handele es sich immer noch um eine überschaubare Zahl an Migranten. Und selbst das habe man nicht stemmen können. Seine Organisation hat Fedasil, das für die Unterbringung von Asylbewerbern zuständig ist, schon -im wahrsten Sinne des Wortes- unzählige Male wegen dieser Missstände verklagt. Vor allem wegen der Weigerung, alleinstehenden Männern eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Allein in diesem Jahr sei Fedasil schon 740 Mal verurteilt worden. Auch gebe es wieder einen enormen Rückstand bei der Bearbeitung der Anträge: 13.000 Akten müssen noch begutachtet werden...
Rückführungen
Man arbeite aber an zwei Fronten gleichzeitig, betont Asylstaatssekretärin Nicole De Moor. Einerseits versuche man, sich bestmöglich um die ankommenden Flüchtlinge zu kümmern. Gleichzeitig verfolge man aber auch eine Politik der Rückführung. Konkret: Flüchtlinge, die schon in anderen europäischen Ländern einen ersten Asylantrag gestellt haben, die würden gemäß der geltenden EU-Regeln eben dorthin zurückgebracht. Und hier gehe es nicht um Staaten wie Griechenland oder Bulgarien, sondern auch Nachbarländer. Denn, so argumentiert die Staatssekretärin: "Wir können nicht immer neue Asylbewerber-Heime bauen. So lösen wir auf Dauer das Problem nicht."
vrt/est