In dem Abkommen bekunden beide Seiten ihre erklärte Absicht, beide Reaktorblöcke nach 2025 für weitere zehn Jahre am Netz zu halten. Das sei nötig, um die Versorgungssicherheit gewährleisten zu können, betonten der Premier und auch seine Energieministerin. Die genauen Einzelheiten müssen aber noch ausgehandelt werden.
De Croo hatte eine Einigung vor der Sommerpause versprochen - und hier ist sie also. "Wir haben gestern Abend ein Grundsatzabkommen mit Electrabel-Engie abschließen können", sagte Premierminister Alexander De Croo am Freitagvormittag bei einer Pressekonferenz mit Blick auf eine Laufzeitverlängerung der Reaktoren Doel 4 und Tihange 3 für zehn Jahre.
"Grundsatzabkommen", sagt De Croo. Der französische Energiekonzern Engie formuliert es in einem Kommuniqué etwas anders. Da ist lediglich von einer "nicht bindenden Absichtserklärung" die Rede. Premier De Croo sprach jedenfalls von einem "entscheidenden Schritt" zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit.
Das muss man in seinen Kontext setzen. Eigentlich war ja geplant, dass Belgien sich 2025 vollständig aus der Kernenergie verabschieden sollte. Doch dann kam der Krieg in der Ukraine. Und damit verbunden: die Versorgungsängste und der Höhenflug der Gaspreise. Es sind diese neuen Entwicklungen, die auch die Grünen zum Umdenken genötigt haben, sagte sinngemäß die grüne Energieministerin Tinne Van der Straeten. Ziel der Regierung sei denn auch, Energie-Unabhängigkeit herzustellen.
Da gibt es allerdings ein Problem: Die Energiequelle, auf die die Regierung neuerdings doch wieder setzen will, hatte Engie eigentlich schon abgeschrieben. Der französische Konzern hat gar nicht um eine Laufzeitverlängerung gebeten, sondern wurde gebeten. Und das hat erfahrungsgemäß seinen Preis.
"Es seien knallharte Verhandlungen", war immer wieder zu hören. In erster Linie machte Engie deutlich, dass man die finanziellen Risiken nicht alleine tragen wolle. Unter anderem werden ja einige Investitionen vonnöten sein, um die beiden Reaktorblöcke weiter betreiben zu können. Die Rede ist von rund einer Milliarde Euro.
Engie scheint sich aber mit seiner Forderung durchgesetzt zu haben. "Wir werden gemeinsam eine Zweckgesellschaft gründen", sagt Premier De Croo. Darin werden also die beiden Reaktorblöcke "untergebracht", die verlängert werden sollen. Und an dieser Zweckgesellschaft werden der Staat und Engie jeweils zur Hälfte beteiligt sein. Also: Besagte Zweckgesellschaft wird demnach als "Betreiberin" der beiden Reaktorblöcke fungieren. Und die Risiken werden dadurch geteilt.
Da gibt es aber auch einige Umkehrschlüsse: Erstens: Dem belgischen Staat steht dadurch auch die Hälfte der Gewinne zu. Der zweite Umkehrschluss ist allerdings weniger erbaulich: Wenn der Staat zur Hälfte an den beiden Reaktoren beteiligt ist, dann wird er auch zur Hälfte für die Altlasten aufkommen müssen. Das bestätigte auch - etwas verklausuliert - Premierminister De Croo. Bei den fünf Reaktorblöcken, die spätestens 2025 vom Netz gehen, ist die Sache klar: Für den Atommüll und den Rückbau muss der bisherige Betreiber aufkommen. Anders verhält sich das für die beiden Reaktorblöcke, die verlängert werden sollen. Hier werden alle künftig anfallenden Kosten geteilt.
Das bedeutet also, dass der belgische Staat dann durchaus auch Teile der Kosten für die Lagerung des nach 2025 anfallenden Atommülls übernehmen muss, wahrscheinlich die Hälfte. Wie sich das genau verhalten wird, muss noch ausgehandelt werden. Es ist eben bislang nur ein Grundsatzabkommen.
Die genauen Einzelheiten müssen jetzt erst noch festgeklopft werden. Die Partner geben sich Zeit bis Ende des Jahres. Anderenfalls könnte wohl auch die Frist nicht eingehalten werden, also ein Neustart im November 2026. Das alles in dem Wissen, dass Engie hier am längeren Hebel sitzt, weil eben nicht der Konzern, sondern der belgische Staat in der Bittsteller-Position ist.
Natürlich hat das alles seinen Preis, räumte Energieministerin Tinne Van der Straeten ein. Aber der Nutzen sei wesentlich größer. Energie sei nämlich zu einer Frage der Nationalen Sicherheit geworden.
Roger Pint
So leid es mir tut, aber hier verkauft die Regierung uns mal wieder heiße Luft.
Wörtlich heißt es bei Engie: „Es wurde eine nicht-bindende Absichtserklärung getroffen.“ In der Erklärung von De Croo steht: „…haben der belgische Staat und Engie Absprachen festgelegt über den weiteren Verlauf, das Timing und den Kader der Verhandlungen.“
"Nicht bindend", "Absprachen über Verhandlungen": das klingt überhaupt nicht nach einer Einigung oder einen Vertrag. Aber De Croo braucht wohl Erfolge, sei es zu verkünden, dass jemand mit ihm verhandeln will.
Trauriges Schauspiel, schließlich stammen die Energieprobleme nicht von gestern und wird schon monatelang verhandelt, pardon palavert.