"Wir sind auf der Zielgeraden. Noch ist nicht alles geregelt, aber ich bin eigentlich optimistisch". Premierminister Alexander De Croo lässt in der RTBF durchblicken, dass die Verhandlungen mit dem französischen Energiekonzern Engie über die angestrebte Laufzeitverlängerung der beiden Kernreaktoren Doel 4 und Tihange 3 dann doch konkreter werden.
Die Regierung hatte sich - wie schon bei der Rentenreform - auch in dieser Akte eine Frist gesetzt: Bis zum Nationalfeiertag sollte der Deal unter Dach und Fach sein. Und das werden wir wohl mehr oder weniger hinkriegen, sagte De Croo. Ob nun am 21. oder am 22. Juli, auf einen Tag kommt es nicht an. Aber in jedem Fall werde ein Abkommen vorliegen, bevor die Regierung in die Sommerpause geht.
Die Frage ist allerdings, was genau da präsentiert werden soll. Wie die Zeitung L'Echo berichtet, liegt im Moment nur ein Grundsatzabkommen auf dem Tisch. Das wäre demnach nur eine gemeinsame Absichtserklärung, beide Seiten würden also erstmal nur ihren gemeinsamen Willen bekunden, die beiden Kernreaktoren zehn Jahre länger als geplant am Netz zu lassen. Wobei jeder da wohl auch schon seine jeweiligen "roten Linien" festhalten würde.
Rote Linien gibt es einige. Diese Verhandlungen zwischen der Regierung und Engie sind nämlich alles andere als ein Selbstläufer. Kurz gesagt: Der belgische Staat ist hier in einer Bittsteller-Position. Eigentlich wollte Belgien sich ja nach langem Hin und Her nun doch endgültig aus der Atomkraft verabschieden. Spätestens 2025 sollten alle Reaktorblöcke vom Netz gehen. Nur bestand darüber nach wie vor keine wirkliche Einigkeit, auch nicht innerhalb der Vivaldi-Koalition. Vor allem die liberale MR wollte immer noch an der Kernkraft festhalten.
Dann kam die Energiekrise. Und damit wurde eine mögliche Laufzeitverlängerung plötzlich auch für andere wieder zu einer Option. Konkret geht es hier um zwei Meiler, Doel 4 und Tihange 3, also die beiden "jüngsten" Reaktorblöcke. Da gibt es nur ein Problem: Auch Engie wollte sich eigentlich aus der Kernenergie verabschieden. Der französische Konzern hatte also überhaupt nicht die Absicht, die belgischen Atomreaktoren noch länger zu betreiben. Man muss Engie also erstmal dazu überreden. Was wohl im Klartext heißt: Man wird einen Preis bezahlen müssen.
Und der könnte höher sein, als es so manchem wohl lieb ist. Vor einigen Wochen war ein Brief durchgesickert, in dem Engie doch ziemlich "unbescheidene" Bedingungen formuliert. Demnach will der Konzern das Risiko unter keinen Umständen alleine tragen. Deswegen verlangt Engie, dass der Staat sich an der Finanzierung der Laufzeitverlängerung beteiligt. Und in diesem Zusammenhang hatte es sogar geheißen, dass diese Co-Finanzierung auch die Lagerung des Atommülls und sogar den Rückbau der Anlagen miteinbeziehen würde.
"Das kommt nicht infrage", machte aber der Groen-Co-Vorsitzende Jeremie Vaneeckhout in der VRT noch einmal klar. Es könne nicht sein, dass der Steuerzahler am Ende die Müllrechnung bezahlt.
Wie dem auch sei: In dem besagten Grundsatzabkommen, das gerade in der Mache ist, geht es offensichtlich erstmal nur darum, Engie davon zu überzeugen, überhaupt über eine Laufzeitverlängerung zu verhandeln. Der Staat eben in einer Bittsteller-Position.
Um dem französischen Konzern entgegenzukommen, steht nach Informationen der Zeitung De Tijd immer noch der Plan im Raum, dass beide Seiten zusammen eine Zweckgesellschaft gründen, die dann als Betreiberin der beiden Reaktoren fungieren würde. Heißt also: Der Staat würde plötzlich über diese Gesellschaft wieder zum Teilhaber an den Atomkraftwerken, konkret an zwei Meilern.
Prinzipiell habe er damit aber kein Problem, sagte der MR-Vorsitzende Georges-Louis Bouchez am Morgen in der RTBF. Auf diese Weise könne der belgische Staat die Energiepolitik des Landes wieder bis zu einem gewissen Maß selbst in die Hand nehmen.
Kritiker haben da eine andere Lesart, nach dem Motto: Wenn es Geld abwirft, dann sahnen private Konzerne ab - wenn es was kosten könnte, muss der Staat den Kopf hinhalten. Denn mit der Teilhaberschaft würde z.B. auch der Atommüll wieder zumindest zum Teil zum Problem des Staates.
Da ist aber noch längst nicht das letzte Wort gesprochen. Wie gesagt: Das Grundsatzabkommen, das in diesen Tagen erwartet wird, wäre ohnehin erst der Anfang. Mit einer endgültigen Einigung über alle Einzelheiten ist laut L'Echo und De Tijd erst gegen Ende des Jahres zu rechnen.
Roger Pint