Trotzdem wertet Premierminister Alexander De Croo das Erreichte als einen wichtigen Schritt in eine gute Richtung. Das sagte De Croo am Dienstagvormittag auf einer Pressekonferenz, auf der er und einige seiner Minister die Reform vorstellten. Noch bevor das erste offizielle Wort bei der Pressekonferenz ausgesprochen wurde, konnte man schon ahnen, dass etwas nicht ganz so ist, wie es hätte sein sollen. Die Gesichter der Minister, die auf den leicht verspäteten Premierminister Alexander De Croo warten mussten, sprachen Bände. PS-Ministerin Karine Lalieux, zuständig für Renten, war gut aufgelegt. Lächelte hier, lächelte dort, zeigte auffällig gute Laune. Petra De Sutter von Groen neben Lalieux war da schon zurückhaltender. MR-Vizepremier David Clarinval schien Welten von einem Lächeln entfernt, saß eher in sich gekehrt und leicht zerknirscht neben Gesundheitsminister Frank Vandenbroucke von den flämischen Sozialisten, der sich gewohnt sachlich gab.
Dann kam De Croo und legte sofort los. „Wir haben eine Rentenreform“, sagte er und rief noch einmal in Erinnerung, worum es dabei gehen sollte - und jetzt auch geht. Nämlich um ein einziges Ziel: Arbeit soll sich also auch in Hinblick auf die Rente lohnen. Mehr Arbeit, mehr Rente. Und dadurch würden auch wieder mehr Menschen zum Arbeiten gebracht. Zwei Beschlüsse, so De Croo, bilden den Kern der Reform.
„Erster Beschluss: Es gibt Voraussetzungen, wie lange man gearbeitet haben muss, um die Mindestrente zu erhalten. Das werden 20 Jahre sein.“ Die 20 Jahre werden in den Berechnungen in 5.000 Stunden heruntergebrochen. Diese Berechnung in Stunden führt die Regierung ein, um auch kurze Arbeitszeiten von wenigen Wochen oder auch Teilzeitarbeit besser berücksichtigen zu können. Davon sollen vor allem Frauen profitieren, die wegen Kinder und Familie oft nicht in Vollzeit beschäftigt sind. Ein Beitrag dieser Reform, die Ungleichheiten bei der Rente zwischen Männern und Frauen zu beheben.
„Das zweite Element“, fuhr De Croo fort, „ist dafür zu sorgen, dass es sich für denjenigen lohnt weiter zu arbeiten, der sich dazu entscheidet. Das machen wir mit der Einführung des Rentenbonus.“ Der Rentenbonus ist dann möglich, wenn man am Ende seiner Karriere weiterarbeitet und nicht vorzeitig in Rente geht. Pro weiter gearbeitetem Jahr könnte die Rente dann um etwa 300 bis 500 Euro höher ausfallen. „Wer drei Jahre weiterarbeitet, hätte dann gleichsam ein 13. Monatsgehalt, wenn er Rentner ist“, verpackte De Croo die Idee in eine anschauliche Verpackung.
Und dann - kam nicht mehr viel. Mehrere Details, dass zum Beispiel alle Neuerungen ab 2024 gelten sollen, es Übergänge geben wird und die Sozialpartner zu vielen Dingen, die auch noch auf dem Tisch der Regierung lagen, in den nächsten Monaten befragt werden sollen. Doch im Großen und Ganzen hatte De Croo die Reform vorgestellt.
Ob das denn nicht ein bisschen wenig sei, wollte ein Journalist zurecht wissen. Schließlich war noch am Wochenende davon die Rede, dass auch Themen wie Teilrente, Frühverrentung und Sonderregelungen für Soldaten und Bahnpersonal heiß diskutiert worden waren. Gerne hätte auch er mehr beschlossen, ließ De Croo in seiner Antwort anklingen. Doch um das zu machen, brauche man die Zustimmung von allen, fügte er hinzu. Und er habe festgestellt, dass es die Zustimmung von allen nicht gab.
Ein klarer Seitenhieb auf die PS, ohne sie zu nennen. Was auch erklärt, warum Lalieux auf der Pressekonferenz so gute Laune hatte. Und dass von fast allen Parteichefs der Vivaldi-Regierung durchaus Kritik an der eigenen Reform geäußert wurde - mal klarer, mal indirekter. Nur PS-Chef Paul Magnette zeigt sich am Dienstag auf Twitter zufrieden. „Dank der Sozialisten wird wieder in die Rente investiert“, schreibt Magnette. Die Reform sei ausgeglichen und eine gute Antwort auf die Herausforderungen der Zeit.
Bei De Croo hörte sich das Fazit anders an auf der Pressekonferenz: „Rentenreformen macht man Schritt für Schritt“, sagte er. „Das, was wir jetzt gemacht haben, ist ein wichtiger Schritt. Es ist klar, dass wir zusätzliche Schritte machen werden.“
Kay Wagner