Der Weg ist das Ziel. Das gilt für viele Menschen auch in den Ferien. Aber wenn es mit dem Auto in den Urlaub geht, möchte man ja irgendwann auch mal ankommen. Dabei helfen uns Navigationsgeräte und das Smartphone. Früher mussten sich Urlauber noch mühselig mit Straßenkarten zurechtfinden. Doch siehe da: die Digitalisierung hat die Straßenkarte auf Papier nicht verdrängt. Mehr noch: der Verkauf steigt wieder.
Der Verkauf von Michelin-Autokarten ist alleine in der Region Brüssel und Flandern im ersten Halbjahr um 51 Prozent gestiegen. Die Michelin-Karten machen in Belgien etwa 80 Prozent des Marktes aus. Laut Lieven Defour vom Lannoo Verlag, der diese Karten in Belgien vertreibt, sind auch Ringbücher mit Karten beliebt. Warum die Straßenkarte aus Papier so beliebt ist, ließe sich leicht erklären. "Es gibt einfach mehr Leute, die mit dem Auto in den Urlaub fahren", sagt Defour, "vor allem nach Frankreich“. Die Tatsache, dass die Menschen im Allgemeinen mehr reisen, würde sich auch im Verkauf von Reiseführern widerspiegeln.
Es bleibt aber die Frage, warum viele, die mit dem Auto unterwegs sind, sich nicht mit einem Navigationssystem oder einer App auf dem Smartphone begnügen? „Straßenkarten sind eine gute Ergänzung zu den GPS-Geräten oder Apps“, sagt Hilde Snauwaert vom Lannoo-Verlag. Auf einer Karte habe man einen Überblick über die Region, die man entdecken möchte, was auf einem kleinen Bildschirm nicht möglich sei. Und die Batterie einer Papier-Straßenkarte ist auch nie leer. Snauwaert glaubt, dass Reisende wieder nach etwas greifen wollen, das sie in die Hand nehmen können. „Roadtrips sind wieder in“, sagt sie. Und ein Teil des Spaßes bestehe darin, sich auf einen solchen Roadtrip vorzubereiten. Auf einer Landkarte kann man Dörfer einkreisen, auf einem Bildschirm geht das kaum.
Auch in den Geschäften der Automobilvereinigung Touring nimmt der Verkauf von Straßenkarten zu. Sprecher Danny Smagghe ist der Meinung, dass die Zuverlässigkeit von Straßenkarten nach wie vor ein großer Vorteil ist: Ein Navigationsgerät sei nicht unfehlbar. Manchmal werden diese Systeme nicht aktualisiert, weil Menschen das vergessen oder keine Lust haben, dafür zu zahlen. Und es gebe auch immer mal Sperrungen oder andere unvorhergesehene Umstände. Da ist es immer praktisch, auf eine Karte zurückgreifen zu können.
Dass die Papier-Karte noch eine Zukunft hat, glaubt Dirk Van den Berghe von der Reisebuchhandlung Alta Via in Antwerpen. Er hat sein Geschäft schon seit zwölf Jahren und sein Umsatz steigt immer noch, sagt er. Die Tatsache, dass Straßenkarten auf dem Vormarsch sind, überrascht ihn nicht. Papier biete etwas, was ein Navi nicht kann und umgekehrt. Wenn man so schnell wie möglich irgendwohin fahren möchte, sei das GPS-System unschlagbar. Wenn man sich aber einen Überblick verschaffen möchte, gebe es nichts Besseres als Papier. Ein Navi oder eine Smartphone-App sei fantastisch, bis das Gerät nicht mehr funktioniert. Dann weiß man nicht mehr, wo Norden oder Süden ist. Van den Berghe sieht es auch psychologisch. Bei einem Navi trifft ein Algorithmus die Entscheidungen, bei einer Straßenkarte muss man sie selbst treffen. Seiner Einschätzung nach verbringen wir so viel Zeit vor einem Bildschirm und hören so viel auf Computer. Abgesehen von der Gemütlichkeit und Romantik einer Papierkarte kann er sich vorstellen, dass sich die Leute sagen: Wir wollen wieder die Kontrolle zurück haben.
destandaard/mz