Was die konkreten Verhandlungen über die Laufzeitzeitverlängerung für Tihange 3 und Doel 4 mit Engie-Electrabel angeht, hat sich die föderale Energieministerin Tinne Van der Straeten (Groen) am Morgen gewohnt zugeknöpft gezeigt. Sie arbeite im Rahmen des erteilten Mandates gemeinsam mit dem Premier an einer für alle Belgier vorteilhaften Vereinbarung, so Van der Straeten in der RTBF.
Das Ziel sei, nicht in den Urlaub zu fahren, so lange man keine Klarheit darüber habe, wie es weitergehen werde. Deswegen sei der 21. Juli ein wenig der Stichtag. Bis dahin blieben noch drei Wochen und man arbeite jeden Tag daran.
Wenn man über die Zukunft der Energiegewinnung mittels Nukleartechnologie in Belgien spricht, dann muss man aber auch über die Zukunft ihrer Hinterlassenschaften sprechen, sprich über den Umgang mit den radioaktiven Abfällen und den Rückbau der Anlagen. Das nukleare Abfallmanagement und der Abriss der Kernkraftwerke sei in der Tat die längste, teuerste und schwierigste Baustelle des Landes, betonte die Energieministerin. Es gehe um Kosten von 41 Milliarden Euro.
In der Plenarsitzung der Kammer am Donnerstag soll deshalb über einen Gesetzesentwurf abgestimmt werden, der den legalen Rahmen für den Umgang mit Belgiens nuklearen Altlasten schaffen soll. In diesem Gesetz sei verankert, dass der Verschmutzer für die Beseitigung bezahlen müsse. Verschmutzer ist in diesem Fall also der Betreiber Engie-Electrabel.
Der Betreiber der Nuklearanlagen müsse garantieren, dass erstens genug Geld für diese Aufgabe vorhanden sei und dass es das zweitens auch lange genug sei. Außerdem müssten sich die dafür vorgesehenen Mittel auch in Belgien befinden. Denn nicht vergessen: Engie ist ein französischer Konzern. In diesem Kontext muss man auch die Sorge sehen, dass Engie seine belgische Tochtergesellschaft Engie-Electrabel irgendwann so aushöhlen könnte, dass quasi nur noch eine leere Firmenhülle bliebe, die ihren finanziellen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen könnte.
Mit dieser Problematik habe man sich bei der Ausarbeitung des Gesetzestextes lange und ausführlich beschäftigt, versicherte die Energieministerin. Electrabel sei heute eine sehr leistungsfähige Firma und das Ziel sei, diesen Zustand auch zu erhalten. In dem Gesetzesentwurf sei auch ein Regulator vorgesehen, der konstant darüber wachen werde, dass ausreichend Mittel vorhanden seien und dass Electrabel diese Mittel auch garantieren könne. Würden Verstöße dagegen festgestellt, dann seien auch entsprechende Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen.
Neben der Finanzierung stellt sich aber auch nach Jahrzehnten der Nutzung der Atomenergie im Land eine ganze andere, praktische Frage: Wohin eigentlich mit den strahlenden Abfällen in Belgien? Denn für die Endlagerung hat sich trotz vieler Diskussionen und Forschungsansätze noch keine wirkliche Lösung gefunden.
Eine Entscheidung über Arbeiten, die sich über mindestens 50 bis 100 Jahre erstrecken und die Folgen für weitere tausende Jahre haben werde, könne nicht von einer einzelnen Ministerin oder Regierung getroffen werden, so Van der Straeten. In diesen Entscheidungsprozess müsse die gesamte Bevölkerung eingebunden werden.
Geschehen soll das über einen sogenannten "Nationalen Dialog", der physisch, also nicht nur online, zwischen Bürgern, Experten, Betreibern und anderen betroffenen Institutionen geführt werden soll. Der entsprechende Prozess solle noch vor Ende des Jahres lanciert werden, versprach die Ministerin. Dazu müssen die Kammerabgeordneten am Freitag aber auch erst mal noch grünes Licht geben für einen weiteren Text Van der Straetens, der eben für die gesetzliche Grundlage dieses "Nationalen Dialoges" über den atomaren Abfall sorgen soll.
Boris Schmidt