Spektakuläre Bilder aus den Niederlanden: Wütende Landwirte attackieren und beschädigen Polizeifahrzeuge, mit Tritten und auch mit Schlagwerkzeugen: Eine grimmige Stimmung.
An drei Tagen hintereinander war es Anfang der Woche im nördlichen Nachbarland zu zum Teil heftigen Protesten gekommen. Landwirte wollten ihrem Ärger Luft machen über die neuen Stickstoffnormen, die viele um ihre Existenz bangen lassen.
Wütende Bauern blockierten Straßen, manchmal Autobahnen. Wenn die Ordnungskräfte Sperren errichteten, um die Protestler aufzuhalten, dann machten diese mit ihrem schweren Gerät kurzen Prozess.
Auf diese Weise bahnten sich die Landwirte auch den Weg zum Wohnhaus der zuständigen Ministerin. Sie durchbrachen eine Polizeikontrolle und belagerten das Haus. Dann wurde der Häcksler in Stellung gebracht und das Grundstück regelrecht bombardiert - mit Mist.
"Das geht gar nicht!", meldete sich daraufhin der niederländische Ministerpräsident Marc Rutte aus dem fernen Madrid zu Wort, wo er ja gerade am Nato-Gipfel teilnimmt.
"Es ist nicht akzeptabel, dass gefährliche Situationen geschaffen werden", sagte Rutte. "Das, was wir da gesehen haben, das ist nicht zu vereinbaren mit dem Demonstrationsrecht. Und es ist auch nicht akzeptabel, dass politische Mandatsträger eingeschüchtert werden."
Die wütenden Proteste in den Niederlanden blieben natürlich insbesondere in Flandern nicht unbemerkt. Erst mal teilt man sich die Sprache. Hinzu kommt aber, dass die Sorgen der Landwirte durchaus vergleichbar sind. Was beide, die Niederlande und Flandern nämlich auch vereint, das ist eine sehr intensive Landwirtschaft, mit vielen Großbetrieben auf einer doch überschaubaren Fläche. Hüben wie drüben müssen die Stickstoffemissionen runter.
Und auch in Flandern liegt ein neues Stickstoffdekret vor, das den Landwirten ebenfalls schlaflose Nächte bereitet. "Wir leben in Unsicherheit", sagte einer von ihnen in der VRT. "Können wir weitermachen? Müssen wir unsere Betriebe verkleinern? Dabei haben wir uns doch an die immer neuen Umweltauflagen gehalten". "Alle reden immer davon, dass wir unsere Viehbestände um 30 Prozent reduzieren müssen", hakt ein anderer ein.
Entsprechend steht auch in Flandern ein ganzer Sektor unter Strom. Und tatsächlich schien es einen Moment lang so auszusehen, als wirkten die Bilder aus den Niederlanden auf den einen oder anderen flämischen Kollegen "inspirierend".
Am Mittwoch kam es zu spontanen Protesten einzelner Landwirte, vorbei an den großen Bauernverbänden, die nicht zu Aktionen aufgerufen hatte. Am Ende lief das Ganze aber dann doch friedlich ab. Die Protestler beschränkten sich darauf, "Flagge zu zeigen" und für ihre Sorgen zu sensibilisieren.
Das könne er nur begrüßen, sagte Jo Brouns, der neue flämische Landwirtschaftsminister, in der VRT. Und natürlich verstehe er die Sorgen der Landwirte. Es gehe schließlich um deren Zukunft, deren Existenz.
Brouns rief alle Beteiligten dazu auf, einen kühlen Kopf zu bewahren. Gerade erst sei die Informationsphase abgeschlossen. Jeder habe die Gelegenheit gehabt, den Entwurf des neuen Stickstoffdekretes einzusehen. Und dann gegebenenfalls auch Anmerkungen und Bedenken zu formulieren.
All das werde jetzt ausgewertet und werde dann auch in die Endfassung einfließen, versprach Brouns. Klar gebe es Herausforderungen. Man werde aber versuchen, ein solides Regelwerk auszuarbeiten, das die Umweltschutzvorgaben und die Sorgen der Landwirte unter einen Hut bringt.
Roger Pint