Die föderale Energieministerin Tinne Van der Straeten (Groen) ließ am Morgen in der VRT keinen Zweifel daran, was auf der Tagesordnung in Luxemburg am Montag an allererster Stelle steht: die Frage, wie sich Europa energietechnisch auf den kommenden Winter vorbereiten soll.
Gerade Belgien könne hierbei eine entscheidende Rolle spielen, unterstrich Van der Straeten. Zum einen spiele russisches Gas für die Energieversorgung Belgiens kaum eine Rolle. Und zum anderen importiere Belgien sehr viel Gas aus anderen Ländern. Das mache es ja zur Drehscheibe für den Export in andere europäische Länder, vor allem die Niederlande und auch Deutschland.
Aufgrund der russischen Drosselung der Gasflüsse sei diese Ausfuhr auf ein Maximum erhöht worden, betonte die Ministerin. Das sei im Augenblick noch in gewisser Weise ein Automatismus. Aber dieser Automatismus müsse in eine strikteren Energieplan gegossen werden, damit es eine echte, verlässliche und verpflichtende Solidarität zwischen den EU-Ländern gebe.
Zu einem solchen Energieplan gehören für Belgien aber noch weitere Elemente, die man bereits kennt, weil Premier De Croo sie in der Vergangenheit schon mehrfach auf den Tisch gelegt hat, namentlich Gruppeneinkäufe und eine Deckelung der Gaspreise. Für beides wird sich Van der Straeten im Namen des Landes auch beim EU-Ministerrat am Montag erneut einsetzen, wie sie bestätigte. Denn auch wenn Belgien heute mit der Versorgungssicherheit an sich kein Problem habe, so sehe man sich natürlich trotzdem mit den hohen Preisen konfrontiert.
Die Ministerin beklagte auch, dass es aktuell so scheine, als ob den Ländern die Dringlichkeit zu handeln nicht bewusst sei und dass viele weiter auf eigene Faust handelten. Die Europäische Union sei aus der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl entstanden, erinnerte Van der Straeten. Hauptzweck dieser "Montanunion" war ja, dass alle Mitgliedsstaaten ohne Zölle Zugang zu eben Kohle und Stahl hatten.
Diese Art verbindende, gemeinsame Kraft müsse man auch jetzt wieder zeigen, denn niemandem sei durch Alleingänge geholfen. Und schließlich dürfe man auch nicht vergessen, dass energiebedingte Probleme in einem so großen Land wie Deutschland auch einen Dominoeffekt auf die restlichen Staaten hätten. Das könne beispielsweise durch gemeinsames Überlegen gehen, wie man Energie einsparen könne. Die gesparte Energie könne dann dazu eingesetzt werden, um die Vorräte für den kommenden Winter aufzufüllen.
Energie zu sparen beziehungsweise effizienter damit umzugehen, das sei noch immer die beste Waffe gegen Putin und für eine Reduzierung der Energierechnungen. Es liege auf der Hand, dass man weniger verbrauchen müsse, wenn man sich aus der Abhängigkeit Russlands in puncto fossiler Energieträger lösen wolle. Alle müssten begreifen, dass der Winter jetzt, während des Sommers vorbereitet werden müsse. Es gebe keine Zeit zu verlieren, die entsprechenden Entscheidungen zur Sicherung der Energieversorgung Europas müssten jetzt getroffen werden.
Unabhängig von dem, was sich auf europäischer Ebene tut, hat Belgien aber auch seinen eigenen Notfallplan. Dieser Plan liege bereit, bekräftigte die Energieministerin, und könne bei Bedarf umgehend aktiviert werden. Das sei aktuell nicht notwendig, weil Belgien keine Probleme mit seiner Energieversorgung habe. Die Situation werde aber jeden Tag von ihrer Verwaltung und den Netzbetreibern überwacht, um bei Bedarf eingreifen zu können. Den Sommer über würde der Notfallplan in Absprache mit der Wirtschaft noch weiter aktualisiert und verfeinert werden, so Van der Straeten.
Boris Schmidt