Montagnachmittag gegen 15 Uhr, also am helllichten Tag: Auf einer Kreuzung in der Rue de Quatre Vents in Molenbeek fallen Schüsse, keine 300 Meter von der Stelle, an der im März 2016 der Terrorverdächtige Salah Abdeslam verhaftet wurde. Mindestens eine Person wird bei der Schießerei verwundet, wie viele weitere beteiligt waren, will die ermittelnde Föderale Polizei zunächst nicht mitteilen.
Diesen Vorfall vom Montag muss man mittlerweile fast schon als traurigen Alltag bezeichnen, denn es ist mindestens der zwölfte oder dreizehnte seiner Art in Molenbeek seit September letzten Jahres. Erst am Wochenende davor hatte es einen weiteren Schusswechsel gegeben. Es wird angenommen, dass der möglicherweise mit Brandstiftungen an mehreren Fahrzeugen und auch an einer Wohnung zusammenhängt.
Es ist aber bei Weitem nicht nur Molenbeek. Gegen Mitte Juni kommt es zu einer brutalen Abrechnung zwischen mutmaßlichen albanischen Verbrechern an der Place De Brouckère im Zentrum der Hauptstadt. Auch in Forest, Saint-Gilles und Anderlecht ist es zu ähnlichen Gewalttaten gekommen.
Fast jeden Tag gebe es Straftaten in der Region Brüssel-Hauptstadt, die mit dem Drogenhandel zu tun hätten, bestätigte Molenbeeks Bürgermeisterin, die PS-Politikerin Catherine Moureaux in der VRT-Sendung "Terzake". Die Art schwerer Gewalt, die man immer häufiger sehe, sei eine Folge von immer mehr Waffen auf dem Terrain. Das und die immer größeren Summen, um die es beim Drogenhandel gehe. Statt um einige Millionen Euro gehe es jetzt um Dutzende Millionen Euro, heißt es.
Mithilfe der immer breiter eingesetzten Waffen versuchten die Dealer, sich gegenseitig einzuschüchtern und sich Gebiete von Konkurrenten anzueignen. Man habe auch den Eindruck, dass man es mit immer besser organisierten Gruppen zu tun habe. Aber nicht nur das: Moureaux sieht inzwischen auch eher internationale Banden am Werk als lokale. Das seien nicht mehr die örtlichen kleinen Dealer an der Straßenecke, mit denen man es vorher zu tun gehabt habe.
Dafür, dass die Art und das Ausmaß der Gewalt in den vergangenen Jahren merklich zugenommen hat, sieht die PS-Bürgermeisterin verschiedene Gründe: Die Covid-Pandemie sei mitverantwortlich dafür, dass sich der Drogenhandel offener auf der Straße breitgemacht habe. Aber auch die Einsparungen und der Abbau bei Polizei, Justiz und bei der inneren Sicherheit durch die "Schwedische Koalition" unter Premier Charles Michel hätten maßgeblich dazu beigetragen.
Vor einem Jahr hätten alle Bürgermeister der Region die föderale Innenministerin Annelies Verlinden (CD&V) auf die Veränderungen aufmerksam gemacht und darauf, dass sich etwas tue im Milieu. Man habe die Innenministerin um zusätzliche Mittel bei der Bekämpfung der Kriminellen gebeten.
Aber leider sei die Situation nur noch schlimmer geworden, so die Klage der PS-Bürgermeisterin. 200 Beamte fehlten etwa allein in der Brüsseler Polizeizone "West". Die Gefahr steige mit jedem Tag, dass irgendwann nicht mehr nur Drogenkriminelle zu Opfern würden, sondern auch unbeteiligte Bürger, so ein Sprecher von Moureaux. Drei Mal habe die Gemeinde Molenbeek der CD&V-Föderalministerin bereits in Briefen die schwierige Situation der lokalen Polizei und auch der Bevölkerung angesichts dieser Gewaltexplosion dargelegt – vergeblich.
Die Innenministerin wiederum will sich diesen Schuh aber nicht anziehen: In erster Instanz sei es die Aufgabe der lokalen Polizei, die notwendigen Kapazitäten bereitzustellen und sich entsprechend zu organisieren, so Verlinden gegenüber der Brüsseler Medienplattform "Bruzz". Die örtlichen Polizeibeamten seien mit der Situation am besten vertraut. Außerdem könnten sie über die entsprechenden Kanäle jederzeit Verstärkung anfordern, sei es bei benachbarten lokalen Polizeizonen oder bei der Föderalen Polizei.
Das scheint allerdings angesichts des Personalmangels bei anderen Brüsseler Polizeizonen manchmal wohl einfacher gesagt als getan. Auf diesen Vorwurf von "Bruzz" hin wollte sich die Innenministerin aber nicht weiter äußern. Generell wolle sie auch nicht mehr zu spezifischen Fällen und laufenden Ermittlungen sagen. Sie plädiere aber allgemein für eine bessere Zusammenarbeit zwischen den Präventionsdiensten der Stadtgemeinden und der Stadt Brüssel mit der Justiz. Ihr eigenes Ministerium erwähnte Verlinden in diesem Zusammenhang aber nicht.
Boris Schmidt
Das ist ein Problem, das es in Antwerpen auch schein seit einigen Jahren gibt.
Schaut man sich die Täterprofiele an, dann stellt man sich schon die Frage, ob bei der Einwanderungspolitik immer alles richtig gemacht wurde.