Für die einen ist es ein humanitärer Akt, andere sehen hier in erster Linie eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Zum zweiten Mal hat Belgien 22 Frauen und Kinder aus Syrien zurückgeholt. Sie befanden sich bislang in einem Lager, in dem mutmaßliche Mitglieder der Terrororganisation festgehalten werden. Zurückgeholt wurden sechs Frauen und 16 Kinder, die sich bislang im Lager Roj befanden, bestätigte am Dienstagvormittag auch Föderalprokurator Frédéric Van Leeuw.
Die Frauen sind allesamt den Behörden einschlägig bekannt. Die meisten waren mit IS-Kämpfern verheiratet. Vier von ihnen waren zudem in der Vergangenheit bereits wegen ihrer IS-Sympathien oder wegen terroristischer Umtriebe in Abwesenheit zu Haftstrafen verurteilt worden. Ohnehin war von vornherein klar, dass alle Erwachsenen, die aus den syrischen Lagern nach Belgien gebracht werden, nach ihrer Landung geradewegs im Gefängnis landen würden. Aufgrund eines Haftbefehls wegen "Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung", so Frédéric Van Leeuw.
In erster Linie geht es den Behörden um die 16 Kinder. Diese Kinder besitzen durch ihre Eltern die belgische Staatsbürgerschaft. Ihnen will man ein Leben und eine Zukunft in Belgien ermöglichen, denn diese Kinder haben sich ihr Schicksal nicht ausgesucht, sie könnten nichts für die falschen Entscheidungen ihrer Eltern, sagte Premierminister Alexander De Croo am Dienstagmorgen in der VRT.
Rückholaktion begrüßt - aber zu spät
Bernard Devos, der Kinderbeauftragte der Französischen Gemeinschaft, sieht das genauso. Er könne die Rückholaktion nur begrüßen, wenn sie auch - offen gesagt - zu spät komme, sagte Devos in der RTBF. Die Kinder hätten viel zu lange unter widrigsten Bedingungen ausharren müssen, was man ihnen eigentlich hätte ersparen sollen.
Die Kinder wurden nach der Trennung von ihren Müttern in die Obhut der zuständigen Behörden gegeben. Sie werden entweder bei der erweiterten Familie, oder bei einer Pflegefamilie oder in einer spezialisierten Einrichtung untergebracht ) oder ein Mix aus diesen drei Optionen, sagt Devos.
Dennoch empfiehlt sich auch die Rückholung der Mütter. Erstmal handelt es sich um die einzigen Bezugspersonen, die die Kinder noch haben, sagt Bernard Devos. Hinzu kommt: Justizvertreter und Fachleute sind sich einig, dass es immer besser ist, dass man potenzielle Gefährder im Auge behalten kann. Die Lager in Syrien sind alles andere als ausbruchssicher. Es besteht also die Gefahr, dass die Leute freikommen und unkontrolliert nach Belgien zurückkehren.
Genau davor haben die amerikanischen Behörden als auch die kurdischen Bewacher der Camps die Europäer schon mehrmals gewarnt. Das ist denn auch der Grund, weswegen auch der Anti-Terror-Stab OCAM keine Einwände gegen die Rückholaktion hatte. Im Gegenteil: Die Mütter in Belgien unter behördliche Aufsicht zu stellen verstärke eher noch die Nationale Sicherheit, erklärte auch Premierminister Alexander De Croo unter Berufung auf das OCAM-Gutachten. So sähen das auch die Sicherheitsdienste in den Nachbarländern.
In Bedrohungsstufe zwei eingeordnet
Davon abgesehen, so betont der Premierminister: Die Frauen, die jetzt zurückgeholt wurden, werden in die Bedrohungsstufe zwei eingeordnet - zwei auf einer Skala bis vier. Es befinden sich auch noch Frauen in Syrien, die man als gefährlicher einstuft. Die werde man nicht zurückholen.
Warum zieht man solche Aktionen klammheimlich, buchstäblich "bei Nacht und Nebel" durch? Weil das gefährliche Operationen sind, sagte De Croo. Wenn vorab Informationen durchsickern, würde man die belgischen Soldaten in Gefahr bringen.
Roger Pint