Laut der Europäischen Kommission schert das belgische Haushaltsdefizit dieses Jahr um mehr als fünf Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Das Problem wird aber auch bei den Staatsschulden gesehen – denn auch die nehmen weiter zu. Für das laufende und das kommende Jahr sollen sie 107 Prozent des Bruttoinlandsproduktes betragen. Weniger technisch ausgedrückt: Der belgische Staat hat mehr Schulden, als die gesamte Ökonomie des Landes in einem Jahr erwirtschaften kann.
Ja, das Staatsdefizit sei schlimmer geworden, bestätigte die flämisch-liberale Staatssekretärin für den Haushalt Eva De Bleeker am Montagmorgen bei Radio Eén. Rund vier Milliarden Euro schlimmer. Die kommen also noch auf die Ende März festgehaltenen schon 20,7 Milliarden Euro Defizit obendrauf.
Mehr Ausgaben
Der Staat habe zwar einerseits mehr Einnahmen, aber auch mehr Ausgaben. Zum Beispiel schlügen die Indexanpassungen für Löhne und Pensionen von Beamten auch bei der Staatskasse zu Buche, genauso wie die gestiegenen Energiekosten.
Dennoch sei es ihrer Meinung nach vor allem wichtig, grundsätzlich zwei Arten von Ausgaben deutlich zu unterscheiden: Da gebe es zum einen die direkt mit der Krise zusammenhängenden Ausgaben. Dabei handele es sich im Prinzip um einmalige, temporäre Ausgaben. Darunter fielen etwa – wie schon bei der Corona-Krise – Unterstützungsmaßnahmen für Unternehmen und Bürger. Und natürlich auch Kosten, die durch die Solidarität mit der Ukraine anfielen, beispielsweise für die Aufnahme von Flüchtlingen.
Zum anderen seien da aber die strukturellen Ausgaben. Was die betreffe, müsse der im Regierungsabkommen vereinbarte Kurs eingehalten werden. Das Ziel sei die Verringerung des strukturellen Defizits und das werde auch umgesetzt und weiterverfolgt.
Allein mit den bereits beschlossenen Maßnahmen werde die Sanierung des Staatshaushalts aber nicht gelingen, räumte De Bleeker ein, das Defizit sei viel größer als die bisherigen beziehungsweise für die nächsten Jahre geplanten Einsparungen.
Reformen dringend notwendig
Der Schlüssel für gesunde Staatsfinanzen liegt für die Staatssekretärin auf der Hand: Reformen, Reformen und noch mal Reformen. Allein die essenzielle Reform des Arbeitsmarktes, sprich die Erhöhung des Beschäftigungsgrades auf 80 Prozent, könne das jährliche Saldo um 14 Milliarden verbessern. Aber auch das Rentensystem müsse nicht nur vereinfacht, sondern vor allem auch bezahlbarer werden, so die liberale Politikerin. Die Ausgaben für Pensionen seien bereits hoch und würden aufgrund der zunehmenden Vergreisung in den kommenden Jahren sehr stark weiter steigen.
Deswegen appelliere sie auch eindringlich an ihre Kollegen in der Föderalregierung, die Reformen endlich anzugehen. Die Ideen lägen ja auf dem Tisch und es sei deutlich, was getan werden müsse.
Wie deutlich das ist, das ist allerdings auch eine Frage der Parteizugehörigkeit, wie man erneut in den letzten Wochen gesehen hat. Denn da gab es ja diverse Forderungen, nicht weniger, sondern mehr Geld auszugeben. Die frankophonen Sozialisten PS wollen zum Beispiel massive Investitionen zur Stärkung der Kaufkraft, Ecolo-Mobilitätsminister Georges Gilkinet träumt von der sicher auch nicht billigen Zukunft der Bahn, um die Verkehrswende zu fördern. Und Premierminister Alexander De Croo, seines Zeichens ja Parteikollege De Bleekers, will, dass der belgische Verteidigungshaushalt bis 2035 auf die Nato-Norm von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigt.
Zu all diesen Vorstößen will sich De Bleeker nicht zu spezifisch äußern. Was die Kaufkraft angehe, so sei sie überzeugt, dass die Erhöhung des Beschäftigungsgrades auch deren bester Garant sei. Minister Gilkinet habe noch keine konkreten Zahlen vorgelegt, deswegen könne man das aktuell auch nicht prüfen. Und wenn die Militärausgaben stärker als bislang erhöht werden sollten, dann müsse man das auch erst einplanen. Die Kosten für neue Maßnahmen müssten eben so weit wie möglich anderweitig kompensiert werden. Es müsse wirklich "Klick" machen, dass es nicht so weitergehen könne wie bisher, so die Staatssekretärin.
Boris Schmidt