111 Verkehrstote sind in Belgien in den ersten drei Monaten des Jahres zu beklagen. Dass das eine deutliche Steigerung von plus 50 Prozent ist im Vergleich zu Pandemiezeiten, überrascht aber nicht wirklich.
Durch die Pflicht zum Homeoffice und andere Maßnahmen wie etwa Distanzunterricht waren letztes Jahr einfach grundsätzlich viel weniger Pendler unterwegs. Gleiches gilt für die Freizeit: Weil einfach sehr viel zu hatte oder abends früher schließen musste, gab es für viele Menschen keinen oder weniger Grund, sich zu bewegen.
Gerade bei jungen Menschen gilt der Freizeitbereich oft als besonders unfallträchtig, etwa wegen des Zusammenspiels mit Leichtsinn oder Drogen. Dass wieder mehr ausgegangen werden könne, schlage sich deutlich in der Statistik nieder, bestätigte Stef Willems, Vias-Sprecher, bei Radio Eén. Man stelle auch fest, dass vermehrt junge Menschen verunfallten.
Regionale Unterschiede
Was die lokale Entwicklung der Verkehrstoten angeht, sind deutliche regionale Unterschiede festzustellen. Die angegebenen Zahlen sind immer im Vergleich zum gleichen Zeitraum letzten Jahres, wobei die Rolle der damals noch existierenden Corona-Maßnahmen nicht außer Acht gelassen werden darf, aber die galten landesweit. Interessant ist die Evolution also trotzdem.
In Brüssel ist die Zahl der Verkehrstoten demnach leicht gesunken. Wobei sie hier ohnehin im einstelligen Bereich liegt. Das Potenzial für Schwankungen ist also immer sehr groß.
In Flandern gab es einen leichten Anstieg. In der Wallonie muss man eigentlich schon von einer Explosion der Zahlen für die ersten drei Monate 2022 sprechen - von 26 auf 57.
Einen großen Beitrag zu dieser traurigen Bilanz leistete das Karnevalsdrama von Strépy mit sechs Toten. Allerdings ist es auch ohne Strépy noch fast eine Verdoppelung zu 2021.
Bei den Unfällen mit Verletzten ist in allen Regionen eine - wenn auch unterschiedlich stark ausfallende - Zunahme zu verzeichnen gewesen.
Aber diese Post-Corona-"Wiederaufholbewegung", ist nicht das, was dem Institut für Verkehrssicherheit die größten Kopfschmerzen macht. Belgien stehe bei den Verkehrstoten jetzt eigentlich wieder auf genau dem gleichen Niveau wie vor der Pandemie, erklärte der Vias-Sprecher. Wenn man sich die Entwicklung über einen Zeitraum von fünf oder sechs Jahren anschaue, dann sehe man keinen strukturellen Rückgang mehr.
Neue Tendenzen
Dabei ist das Ziel nicht nur der föderalen Behörden doch eigentlich eine Reduzierung der Zahl der Verkehrstoten - um satte 50 Prozent in zehn Jahren. So werde das natürlich nichts mit diesen Zielen, unterstrich Willems.
Besonders beunruhigend sei, dass sich in der Statistik auch eine Anzahl neuer Tendenzen abzeichne: Schon seit etwas Längerem beobachte man eine Art Revival von Mopeds - mit Folgen für die Statistik.
Unfälle mit Mopeds befänden sich auf dem höchsten Stand in acht Jahren. Eine Erklärung für die Beliebtheit von Mopeds könne sein, dass sich gerade jüngere Menschen während der Pandemie Kleinkrafträder zugelegt hätten, um eine Ansteckung bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu vermeiden.
Dann sind da auch noch die elektrischen Tretroller, auch als E-Steps oder E-Scooter bekannt. Unfälle mit Personenschäden mit diesen Fahrzeugen haben dramatisch zugenommen. Innerhalb eines Jahres ist die Rede von einer Verdreifachung.
Allerdings würden Unfälle mit E-Tretrollern noch nicht allzu lange in die Statistiken aufgenommen. Deshalb müsse man mit der Belastbarkeit dieser Zahlen etwas vorsichtig sein, warnte Willems.
Es sei aber unbestreitbar, dass die Unfälle zunähmen. In den ersten drei Monaten dieses Jahres habe es bereits 300 registrierte Unfälle gegeben - die eigentliche Saison für viele Nutzer habe jetzt erst begonnen. Für den Rest des Jahres sei zahlentechnisch also nicht viel Gutes zu erwarten.
Prävention von Unfällen
Ein weiterer Punkt sind dann noch die elektrischen Fahrräder. Dass es hier mehr ernste Unfälle gibt, hat einen beziehungsweise gleich mehrere nachvollziehbare Gründe: Zum einen werden die zurückgelegten Strecken immer länger, sprich werden E-Bikes immer mehr genutzt.
Zum anderen wird der Altersdurchschnitt des entsprechenden Publikums immer höher. Das sei demographisch nicht anders zu erwarten, so der Vias-Sprecher. Die Menschen würden statistisch immer älter und blieben auch länger mobil.
All diese Entwicklungen müsse man genau im Auge behalten und versuchen, gegenzusteuern, mahnte Willems. Gegebenenfalls müsse auch durch entsprechende politische Entscheidungen eingegriffen werden. Das sei etwa mit dem Beschluss strengerer Regeln für die Benutzung von E-Steps schon geschehen.
Käufern von E-Bikes etwa könnte auch schon direkt bei der Anschaffung ihrer Fahrzeuge mit hilfreichen Tipps zur Unfallvermeidung geholfen werden. Auch eine weitere Sensibilisierung für potenziell gefährliches Verhalten und eine konsequente Bestrafung blieben notwendig. Aber auch was die Infrastruktur angehe, müsse mehr getan werden, zum Beispiel mit der Entschärfung von Unfallschwerpunkten.
belga/vrt/mitt/est/schb